Der Sommer des glücklichen Narren
Briefe, und dann haben wir kein Wort mehr miteinander gesprochen.«
Ach ja. So ist das mit der Liebe. Ich wußte ja nicht, wie sehr die beiden sich geliebt hatten, wie lange ihre Liebesgeschichte dauerte und was alles gesagt und getan worden war in ihrem Verlauf, und plötzlich dann tut man fremd und gleichgültig, verletzt sich mit so kleinen hingeworfenen Sätzen, während einem doch das Herz zum Sterben weh tut. So ist es oft. Und es ist so töricht und so sinnlos.
Ich hatte das Gefühl, ich müßte Steffi am Arm nehmen und zu ihrem Eberhard zurückbringen und sagen: Nun seid vernünftig, Kinder, geht zusammen essen, sprecht euch aus, dann umarmt euch und küßt euch wieder und schlaft heut nacht zusammen. Morgen ist dann alles wieder gut.
Aber ich wußte ja zuwenig von der ganzen Geschichte. Ich wußte nicht, ob Eberhard das Herz weh tat, ob es Steffi weh tat, ob es besser war, daß sie zusammenblieben oder wirklich auseinandergingen. Bloß was ich hierbei eigentlich tat, das wußte ich in diesem Moment absolut nicht. Das war nicht das Mädchen, das bei mir im Waldhaus gewesen war. Das war eine selbstbewußte, kühle junge Dame, die neben mir herging, im korrekten grauen Kostüm mit weißer Bluse, die Haare waren frisiert und lagen in einer leichten Welle um ihren Kopf, endeten in einer sanften Innenrolle, die beim Gehen leise wippte. Der Mund war rot geschminkt, die Wangen zart getönt, die Wimpern dunkel getuscht. Eine fremde Frau, die mich nichts anging und die mir gleichgültig war. Und wenn man es genau nahm, hatte sie sich heute mit mir verabredet, um ihren Eberhard zu ärgern, um sein verbocktes Schweigen endlich zu lösen, und das war ihr ja auch schon gelungen, der erste Schritt war getan, und morgen würde man dann weitersehen. Meine Rolle in diesem Stück Leben anderer Menschen war ausgespielt.
Wir waren eine ganze Weile schweigend nebeneinander her gegangen. Das fiel mir aber erst auf, als Steffi fragte: »Wie geht es Dorian?«
»Ich hoffe, gut«, sagte ich.
»Was machen Sie denn mit ihm, wenn Sie in der Stadt herinnen sind?«
Ich erzählte es ihr, und dann wollte sie wissen, wo ich wohnte in der Stadt. Da erzählte ich ihr also auch von Muni und auch, daß ich heute mit meiner Tochter telefoniert hatte.
Dann blieb ich stehen. Wir waren beim Hofgarten gelandet, und ich fragte: »Wo gehn wir hin? Wo möchten Sie gern zu Abend essen?«
»Es ist ja noch zu früh zum Essen«, meinte sie. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern ein Stück durch den Englischen Garten gehen, bloß wegen der Luft, nicht? Und dann könnten wir irgendwo in Schwabing essen.«
»Gut«, meinte ich, »das ist eine feine Idee.«
Wir gingen also schräg durch den Hofgarten, beim Harmlos vorbei, überquerten die Prinzregentenstraße und spazierten dann in den Englischen Garten hinein. Der Himmel war ein wenig bedeckt heute, es war auch nicht ganz so warm wie in der vergangenen Woche. Aber im Park waren trotzdem viele Menschen, die noch ein wenig frische Luft haben wollten, ehe sie nach Hause gingen. Soweit frische Luft eben in einer Großstadt zu haben ist.
Wir sprachen nicht viel miteinander, als wir so dahinschlenderten. Wir waren ein wenig befangen. Schließlich kannten wir uns so kurze Zeit und wußten doch ziemlich viel voneinander. Das kann eine Belastung sein bei einer so jungen Bekanntschaft. Wir wußten zuviel persönliche Dinge, und das war ein wenig peinlich. Schließlich fragte ich, wie sie das denn mit ihrer Wirtin und den Schlüsseln gemacht hätte.
»Ach, ich habe gesagt, daß ich meine Tasche in Eberhards Auto liegenließ und daß sie dann anscheinend herausgefallen sein muß. Manchmal muß man eben ein bißchen schwindeln.«
»Ja«, gab ich zu, »das muß man manchmal. Und war sie denn damit zufrieden?«
»Sie äußerte sich ziemlich wortreich über die Unzuverlässigkeit der heutigen Generation und daß ihr so was nie passiert wäre. Aber jetzt ist ein neues Paar Schlüssel in Auftrag gegeben. Deshalb darf ich auch heut nicht zu spät heimgehen, weil ich ja klingeln muß.«
»Natürlich.«
Nach einer Weile äußerte sie trübsinnig: »Und ich war so froh, daß ich dort ausziehen konnte.«
Ich blickte sie fragend an. »Na ja, wenn ich geheiratet hätte, nicht? Dann hätte ich doch eine eigene Wohnung gehabt. Stellen Sie sich mal vor.«
»Tja«, sagte ich. »Aber wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht renkt sich alles wieder ein.«
»Wie meinen Sie das?«
»Na, mit
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