Der Sommer des glücklichen Narren
gewöhnlich trank. Und ich wußte, daß ich das zahlen mußte. Denn Geld hatte der Toni nie. Aber er traf immer einen, der für ihn zahlte.
»Ich bin gerührt, meine Gnädigste«, sagte er zu Steffi. »Jetzt sagen Sie mir bloß, woher Sie das kennen.« Er sprach im gepflegtesten Hochdeutsch. »Als ich das geschrieben habe, können Sie noch gar nicht auf der Welt gewesen sein.«
Steffi lachte. »Eine Tante von mir hat mehrere Bücher von Ihnen. Und sie hat sie mir alle zu lesen gegeben. Sie sagte dabei: ›Das ist einer, der noch was zu sagen hat.‹«
Der Schoppen Wein wurde vor Toni auf den Tisch gestellt, er hob das Glas und prostete Steffi zu. »Ich trinke auf das Wohl Ihrer Frau Tante. Der Herrgott möge sie einst in Gnaden aufnehmen, obwohl sie so einen verbotenen Geschmack hat.«
Dann sagte er zu mir: »Weißt du, wann diese Dinger von mir erschienen sind? 1925 oder 26 oder da herum. Da warst du noch ein Hosenscheißer. Aber da haben wir hier Kunst gemacht. Und was für eine Kunst. Nicht so eine Industrie, wie ihr sie euch heute zusammenbastelt.«
Und dann ging's los, eine Stunde lang brauchten wir kein Wort zu sagen. Denn wenn der Toni auch nicht mehr selbst produzierte, so war er doch genau orientiert über alles, was vorging, und kannte die meisten meiner Kollegen, auch die berühmten und erfolgreichen, ganz genau. Er klärte uns auf über die Literatur der Gegenwart und über ihre Hintergründe und Machenschaften.
Es war eigentlich ganz amüsant. Jedenfalls für mich. Durch den Toni erfuhr ich immer ganz genau, was in der Branche los war. Was Steffi sich dabei dachte, wußte ich nicht. Aber sie hörte jedenfalls aufmerksam zu und schien auch an Tonis Berichten interessiert zu sein. Das beflügelte den Toni nur noch mehr. Immer wieder blickte er in Steffis blaue Augen und stellte öfter die Frage: »Was sagen Sie dazu, meine Gnädigste? Ist es eine Schand'?« Dann nickte Steffi, und Toni begann eine neue Geschichte.
Als er beim dritten Glas Wein angelangt war, hatte er sein Pulver verschossen und beschäftigte sich auf einmal mit mir.
»Na, und du, altes Rindvieh? Was treibst du zur Zeit?«
Ich hob die Schultern. »Immer das gleiche, du weißt ja. Im Herbst ist ein neues Buch von mir erschienen, das wirst du ja sicher nicht kennen.«
»Ich kenne es«, verkündete der Toni. »Sehr mittelprächtig. Du hast schon bessere Bücher geschrieben. Wie war denn der Absatz?«
»Ebenfalls mittelprächtig«, sagte ich.
»Wieviel?« Er wollte es genau wissen.
Das war mir peinlich. »Ganz genau weiß ich es nicht, so ein- bis zweitausend Stück etwa.«
»Immerhin«, meinte Toni. »Und davon lebst du, Mensch?«
»So in etwa«, sagte ich zurückhaltend.
»So in etwa«, wiederholte er geziert. »Spricht ein epochemachendes Deutsch, der junge Mann, nicht?« Diese Frage war an Steffi gerichtet, und die lachte.
Übrigens ließ er sich keinerlei Verwunderung anmerken, daß er mich hier mit Steffi, also mit einer fremden Frau traf. Er kannte Rosalind. Aber trotz aller Poltrigkeit war er ein feiner Mann, und es wäre ihm nicht eingefallen, eine diesbezügliche Frage zu stellen. Er erwähnte Rosalind mit keinem Wort. Statt dessen sagte er: »Wir gehen in die ›Seerose‹. Bin da verabredet.«
»Du«, sagte ich, »wir nicht.«
»Ihr kommt mit. Oder wenigstens die junge Dame. Du kannst von mir aus nach Hause gehen. Denkst du, ich lass' mir die Gelegenheit entgehen, dort mal mit einem hübschen Mädchen aufzukreuzen?«
Also gingen wir in die ›Seerose‹, wo Toni einen ganzen Tisch guter Freunde traf, der uns bereitwilligst in seine Runde aufnahm. Da waren Maler, Schreiber wie wir, eine zur Zeit berühmte Kabarettistin und ein bildschönes, blutjunges Mädchen, angehende Schauspielerin, wie wir erfuhren, die in Begleitung eines spätmittelalterlichen, korpulenten Herrn segelte. Ihr Freund, wie Toni mir mitteilte, und dazu verurteilt, das versammelte Künstlervolk freizuhalten.
»Das kann er sich schon leisten«, sagte Toni. »Abgesehen, daß es für den dicken Banausen eine Ehre ist, in unserem Kreis zu verkehren. So was gibt es nicht umsonst.«
Toni duldete auch nicht, daß ich für uns bezahlte.
»Blöd wirst sein«, teilte er mir in voller Lautstärke mit, als wir zum Gehen rüsteten. »Das geht in einem hin.«
Mir war es ein wenig peinlich, aber der Dicke sagte generös: »Aber ich bitte Sie, Herr … äh … es war mir ein Vergnügen, Sie kennengelernt zu haben.«
Na schön, wenn er partout
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