Der Sommer des glücklichen Narren
würde ich auch aufsetzen, den eleganten hellen, den Rosalind mir letzten Sommer geschenkt hatte und den ich noch nie getragen hatte, weil ich keine Hüte mochte. Aber heute würde ich ihn aufsetzen. Steffi sollte von einem einigermaßen ansehnlichen Individuum abgeholt werden. Sie sollte ihren kleinen Triumph haben. Flüchtig überlegte ich, ob ich vielleicht ein schnittiges Sportcabriolet bei einem Autoverleiher für diesen Abend mieten sollte. Aber dann fiel mir ein, daß ich ja keinen Führerschein besaß. Schade.
Ich verzichtete auf die Straßenbahn und lief den Weg zu Munis Wohnung zu Fuß. War gesund, und Zeit hatte ich genug. Auf diesem Weg ging mir allerhand durch den Kopf. Träume, Wünsche, aber auch ganz bestimmte Pläne. So ging es mit mir nicht weiter. Ich mußte etwas aus mir machen. Geld verdienen. Rosalind hatte recht. Auch Schriftsteller lebten heutzutage ganz angenehm, wenn sie es verstanden, ein bißchen auf die Tube zu drücken. Lieber Himmel, ich war doch nicht dumm. In meinem Kopf war doch allerhand drin. Und sich immer da draußen verkriechen im Waldhaus und warten, daß alles von selbst geschah, das war eben doch nicht der richtige Weg, um zu etwas zu kommen. Ich mußte mich ein wenig bemühen. Jawohl, und das würde ich auch tun. Und Auto fahren würde ich jetzt auch lernen. Nun gerade. Ich würde es Rosalind schon zeigen.
Mit Energie aufgeladen wie ein Atommeiler kreuzte ich bei Muni auf, trank mit ihr Kaffee und begann dann, mich auf Hochglanz herzurichten.
Ich rasierte mich noch einmal, zog mir ein frisches weißes Hemd an und den grauen Anzug, kämmte sorgfältig mein dunkelblondes Haupt mit viel Wasser und wollte dann meine Schuhe putzen.
»Gib her«, sagte Muni ungeduldig und riß mir die Schuhe aus der Hand. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst nicht Schuhe putzen, wenn du ein sauberes Hemd anhast. So was macht man vorher.«
Sie putzte selbst meine Schuhe, ich sah ihr zu, rauchte eine Zigarette und summte vor mich hin.
»Ich bin ja nicht neugierig«, meinte Muni, »aber warum wirfst du dich so in Schale?«
»Ich habe ein Rendezvous«, verkündete ich stolz.
»Ach nee«, sagte Muni. Sie warf mir einen kurzen Blick zu und fragte: »Mit Rosalind?«
»Rosalind?« fragte ich im Ton höchsten Erstaunens zurück. »Wie kommst du denn darauf? Was geht mich Rosalind an. Nein, mit jemand anders.«
»Mit wem denn?«
»Ich denke, du bist nicht neugierig.«
»Ich frag' halt bloß.«
»Ich merke es. Mit einer sehr reizenden jungen Dame.«
»So?«
»Ja.«
»Hast du die heute kennengelernt?«
»Heute? Nein, die kenne ich schon einige Zeit.«
»Na, so was«, sagte Muni und überreichte mir die glänzenden Schuhe. »Dann wünsche ich viel Spaß.«
»Danke sehr.«
Zuletzt setzte ich mir etwas schräg und verwegen den silbergrauen Hut aufs Haupt, prüfte mich sorgfältig im Spiegel und fand mich nicht so übel.
»Du machst doch hoffentlich keinen Blödsinn?« erkundigte sich Muni besorgt.
»Was, teure Mutter«, sagte ich und wandte mich in meinem vollen Glanz zu ihr, »was würdest du als Blödsinn bezeichnen?«
»Man sollte meinen«, sagte Muni langsam, »du hättest jetzt mal die Nase voll von Frauengeschichten.«
»Frauengeschichten«, erwiderte ich, »hat es bei mir nie gegeben. Das weißt du ganz genau. Aber vielleicht fange ich jetzt damit an. Schließlich bin ich kein alter Mann.«
»Natürlich«, sagte Muni, »das stimmt schon.« Und mit mütterlichem Stolz fügte sie hinzu: »Du siehst sehr gut aus.«
»Danke«, sagte ich und betrachtete mich nochmals im Spiegel.
Im Treppenhaus inspizierte ich meine Brieftasche. Fünfundvierzig Mark. Das müßte eigentlich reichen für heute abend.
Und ab morgen würde ich ein neues Leben beginnen und viel Geld verdienen. Ich wußte noch nicht wie, aber ich würde.
Ich war pünktlich da und studierte zuerst einmal das Schild an der Haustür. ›Eberhard Klug, Immobilien und Wohnungsvermittlung‹. So einer also war das. Von der Sorte gab es heutzutage viel. Neben guten alten und seriösen Firmen waren da auch allerhand Scharlatane am Werk, das war mir bekannt.
Das Haus sah gut aus. Ein großer eleganter Neubau in einer Nebenstraße, meist Büros und Geschäftsräume im Hause. Auf der Straße parkten mehrere große Straßenkreuzer. Einer davon würde wohl Eberhard gehören.
Es beruhigte mich, daß keine Parklücke frei war. Selbst wenn ich in einem Wagen vorgefahren wäre, hätte ich ihn hier nicht hinstellen können, und
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