Der Sommer des glücklichen Narren
Frau! Dieser Fratz. Wie alt mochte sie sein? Siebzehn oder achtzehn.
»Sie sind noch sehr jung«, sagte ich, »höchstens zwanzig Jahre alt, da können Sie darüber noch nicht urteilen.«
»Zwanzig!« rief sie empört. »Ich bin achtzehn. Machen Sie mich gefälligst nicht älter, als ich bin.«
»Nun also. Da haben Sie ja noch Zeit, Ihre Meinung zu ändern.«
»Nie. Natürlich werde ich auch mal Kinder kriegen müssen. Aber erst wenn ich alt bin. So mit dreißig etwa. Das langt.«
»Das langt«, bestätigte ich ernsthaft. »Da haben Sie noch zwölf Jahre Zeit, Turniere zu reiten und mit verheirateten Männern zu flirten.«
Sie gab mir einen schiefen Blick von oben. »Sie sind auch schon ziemlich alt, nicht?«
»Finden Sie?«
»So weise, wie Sie reden.«
»Was ist denn nun mit Heino? Weiß er, daß Sie hier sind?«
»Nö. Hierher käme er sowieso nicht. Der braucht Betrieb. Bars und Hotels und so was alles. Im Sommer fährt er immer nach Saint-Tropez. Ohne seine Frau natürlich. Er wollte mich mitnehmen.«
»Und? Tut's Ihnen leid, daß Sie statt dessen hier sind?«
»Eigentlich nicht. Dort könnte ich nicht reiten. Und hätte Jessy nicht dabei. Die ist mir wichtiger als er. Ich bin fertig damit, wissen Sie. Tempi passati.«
Sicher war es nicht leicht, den Rotfuchs Jessica zu bändigen. Aber der Mann, der einmal diesen Fratz bändigen mußte, war auch nicht zu beneiden.
Isabel befand sich auf der Koppel. Gwen betrachtete sie sachkundig. »Gut sieht sie aus. Ob sie mich noch kennt?«
Das schien nicht der Fall zu sein. Isabel beachtete die fremde Reiterin nicht. Aber sie legte die Ohren an, als ich sie herausführte und sie in Jessicas Nähe kam. Jessica tat es ihr nach.
»Wie bei den Menschen, nicht?« meinte Gwen. »Da mögen sich Frauen auch nie leiden.«
Andres kam in den Hof, als ich Isabel sattelte.
»Willst am End' no amal reiten heit?«
»Nur kurz. Ich hab' Besuch bekommen.«
»Aha«, sagte der Andres zufrieden. »Is doch wieder kemma?«
Anscheinend glaubte er, Gwen sei meine Besucherin, von der Wastl erzählt hatte.
Ich machte die beiden formvollendet miteinander bekannt. Andres schwang sich zu einem beachtlichen Diener auf, als ich Gwens sämtliche Titel nannte. Gwen nickte nur kurz und hochmütig mit dem Kopf. Dann kam der Wastl dazu. In seiner bilderreichen Sprache bewunderte er den Rotfuchs, den das offenbar nervös machte, denn er begann wieder zu tänzeln und stieg sogar, als Wastl ihm zu nahe kam. Wastl erwischte ihn am Zügel und zog ihn energisch auf die Erde zurück. »Da gehst her, du varruckta Heiter, du varruckta. Passen's auf, Freilein, daß Eahna mit dem nicht den Hals brechen.«
»Lassen Sie sie los«, sagte Gwen ärgerlich. Aber Jessica stand schon unbeweglich und ließ sich von Wastl den Hals klopfen. Ich wußte, daß der derbe Wastl eine glückliche Hand mit Pferden hatte. Sie mochten ihn alle. Und er mochte sie.
Ich saß auf. »Los geht's«, sagte ich.
Und los ging's. Zum Hof hinaus, den Weg über den Hügel, drüben hinab und wieder hinauf. Erst im Trab, dann im Galopp über eine Koppel, auf der gerade kein Vieh stand. Gwen legte ein tolles Tempo vor, und Isabel mußte sich gewaltig strecken. Ganz schaffte sie es nicht. Der Vollblüter blieb ihr immer um einige Längen voraus.
Dann setzte Jessica mit einem weiten Sprung über das Gatter. Isabel ihr nach. Dahinter kam ein steiniger, enger Feldweg. Gwen galoppierte im gleichen Tempo weiter, und es kostete mich einige Mühe, Isabel durchzuparieren.
»Halt!« rief ich hinter den beiden her und sah mich nach Dorian um, der weit zurücklag.
Es dauerte eine Weile, bis Gwen ihr Pferd zum Stehen brachte. Im Trab kam sie zurück.
»Was ist denn?«
»Das ist kein Weg zum Galoppieren. Wenn Sie so große Pläne mit Jessica haben, sollten Sie ihr die Beine nicht kaputtmachen.«
»Das schadet ihr nichts.«
»O doch. Außerdem macht das Rasen nicht allein den guten Reiter aus.«
Es sah aus, als wollte sie eine schnippische Antwort geben. Aber dann sagte sie: »Das sagt Vater auch.«
Das befriedigte mich. Der Fürst und ich waren immerhin in einem Punkt einer Meinung.
»Da hinüber«, ich wies in die entgegengesetzte Richtung, »ich habe da einen kleinen Parcours aufgebaut.«
Es war eine kleine saure Wiese, die Andres mir für Springübungen zur Verfügung gestellt hatte. Ich hatte dort ein paar ganz nette Hindernisse aufgebaut.
Abwechselnd machten wir ein paar Runden, und ich konnte befriedigt feststellen, daß Isabel
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