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Der Sommer des glücklichen Narren

Titel: Der Sommer des glücklichen Narren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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dem schöngeschwungenen, noch kindlichen Mund. Das hellblonde Haar hatte sie ganz kurz geschnitten, es bestand eigentlich nur aus einer großen Tolle, die sie ungeduldig zurückstrich, wenn sie ihr in die Stirn fiel.
    Ich vermied es, sie zu oft und zu genau anzusehen.
    »Wie kommen Sie eigentlich zu dem englischen Vornamen?« fragte ich sie einmal.
    »Meine Mutter war Engländerin. Ich habe sie kaum gekannt. Sie starb, als ich noch ganz klein war.«
    »Das ist schlimm«, sagte ich.
    »Ja. Mein Vater hat sie sehr geliebt. Er hat erst vor vier Jahren wieder geheiratet. Und stellen Sie sich vor, ich habe noch einen kleinen Bruder gekriegt. Ist das nicht albern?«
    »Nun …« Ich war in Verlegenheit, was ich sagen sollte. »Das ist doch ganz natürlich.«
    »Ja? Finden Sie? Ich kümmere mich nicht darum. Die Frau kann ich sowieso nicht leiden. Und sie reitet miserabel. Die müßten Sie mal auf dem Pferd hängen sehen. Ich kann nicht verstehen, wie mein Vater so was heiraten konnte.«
    »Reiten ist ja schließlich nicht das einzige Kriterium, nach dem man einen Menschen beurteilen kann.«
    »O doch«, sagte sie sehr entschieden. »Für mich schon. Ich würde nie einen Mann heiraten, der kein guter Reiter ist. Nie.«
    Ich mußte lachen. »Gott, Kind, du wirst noch manches tun, was du nicht vorhast. Man soll nie nie sagen.« Dann erst fiel mir auf, daß ich sie geduzt hatte, es war mir so herausgerutscht. »Entschuldigen Sie«, fügte ich hinzu.
    »O bitte. Sie können ruhig du zu mir sagen. Sie können ja reiten.«
    Ich schwieg dazu. So ganz wohl war mir nicht, wenn ich an den Grafen und an den fürstlichen Vater dachte. Schließlich – ich war noch kein Greis. Ständig so ein bezauberndes junges Wesen um sich zu haben, erweckte manchmal komische Wünsche und Gedanken. Mir selbst gegenüber konnte ich das ruhig zugeben.
    »Jetzt reitet sie überhaupt nicht mehr, seit sie das Kind hat«, sagte Gwen nach einer Weile.
    »Wer?«
    »Na, die Frau von meinem Vater. Sie geht nicht mal in die Ställe. Nee, kann ich nie verstehen, warum er die geheiratet hat. So schön ist sie auch nicht.«
    »Ihr Vater wird wohl gewußt haben, was er tat. Schließlich hat er es sich ja lang genug überlegt.«
    »Meine Mutter muß eine großartige Reiterin gewesen sein. Sie hat in England viele Turniere gewonnen. Jetzt haben Sie wieder Sie gesagt«, das klang vorwurfsvoll.
    »Ich wußte nicht, daß das Angebot ernst gemeint war«, erwiderte ich lahm.
    »Natürlich. Wissen Sie was? Wir reiten jetzt zum Waldhaus. Ich habe gesehen, daß Sie noch eine Flasche Sekt im Kühlschrank haben. Da trinken wir Brüderschaft, ja?«
    Was sollte ich machen? Vielleicht wäre es besser gewesen, sie energisch nach Hause zu schicken. Aber wir ritten zum Waldhaus. Wir sattelten die Pferde ab, ließen sie grasen, und Gwen holte zielbewußt den Sekt. Auch die Gläser. Soweit kannte sie sich schon bei mir aus.
    »Am hellen Vormittag«, protestierte ich noch schwach.
    »Sekt am Vormittag ist schick«, wurde ich belehrt.
    »Also«, sagte Gwen, als die Gläser gefüllt waren, und näherte sich mir. Wir stießen an, tranken, und ich wollte es dabei bewenden lassen. Aber sie hielt mir unmißverständlich ihre Lippen hin, und ich drückte also einen flüchtigen Kuß darauf. Anschließend lächelte sie reichlich süffisant. »Hast du Angst vor mir?«
    »Mein liebes Kind«, begann ich salbungsvoll und um Haltung bemüht, aber sie unterbrach mich.
    »Liebes Kind finde ich gräßlich. Du mußt dir einen anderen Namen für mich ausdenken. Wie heißt du eigentlich?«
    Ich räusperte mich und sagte rasch: »Adolf.«
    Für Gwen waren mit dem unglückseligen Vornamen keinerlei Reminiszenzen verbunden. Sie krauste nur die Stirn und meinte: »Klingt sehr feierlich. Kann ich Dolfi sagen?«
    »Nur wenn es unbedingt sein muß.«
    »Vielleicht fällt mir noch was Besseres ein. Prost!«
    Ich bemühte mich, den größeren Anteil von dem Sekt zu trinken, und machte auf alle Fälle ein paar Brote zurecht, damit meine neue Duzfreundin nicht angeheitert nach Gut Tanning zurückkam. In bester Laune schwang sie sich schließlich in den Sattel.
    »Schade, daß ich nicht noch bleiben kann. Aber Maria schimpft, wenn ich so spät komme. Wiedersehen, Dolfi.« Und plötzlich beugte sie sich aus dem Sattel zu mir herab, legte den Arm um meinen Hals und küßte mich. Nicht ganz so flüchtig, wie ich es getan hatte. Dann preschte sie los. Ich stand und blickte ihr nach.
    »Da haben wir uns was Schönes

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