Der Sommer des glücklichen Narren
Und was er schreiben wollte: Das große Schwabingbuch. Schwabing von der Zeit an, als es noch ein kleines Dorf war, verbunden mit der Residenzstadt München durch König Ludwigs breiten Prachtboulevard, der seiner Zeit so weit voraus war. Schwabing, wie es wurde, wie es sich entwickelte, die Leute, die dort lebten und wirkten, vor dem ersten Krieg, zwischen den Kriegen, bis zur heutigen Zeit.
»Aber das ist eine großartige Idee«, sagte Steffi begeistert.
»Net wahr? Das sehen Sie ein, meine Gnädigste. Und ob das eine Idee ist. Seit Jahren quält mich der Dings, dieser Verleger, wegen dem Buch. Keiner kennt Schwabing so gut wie ich. Ich habe es studiert von A bis Z. Auch die Zeit, die vor mir war. Und die Illustrierte, die zahlt für den Vorabdruck – na, viel zahlen's, da brauchen wir drei Jahre nichts zu arbeiten. Ihr werdet sehen.«
»Dann möchte ich wissen, warum du es nicht längst geschrieben hast, dieses Buch«, sagte ich.
Er winkte ab. »Du kennst mich doch. Aber ich hab' das Material gesammelt. Und ich kenne alle Geschichten dazu. Schreiben wirst es du.«
»Ich?«
»Du hast einen guten Stil, du hast Herz und Humor und genug Verstand, du wirst es großartig machen. Ich bin eben dann beim Absatz beteiligt. Wir werden uns schon einigen.«
»Aber ich schreibe zur Zeit ein anderes Buch.«
Das interessierte ihn nicht. »Das schreibst du eben später. Nächstes Jahr kommt unser Schwabingbuch heraus. Das wird ein Bestseller, darauf kannst du dich verlassen. Und du kommst auf diese Weise zu einem anständigen, großen Verlag. Ist das nichts?«
Das war schon was. Ich merkte, wie mich die Sache zu interessieren begann.
»Natürlich macht ihr das«, sagte Steffi. »Ich finde, die Sache ist aller Mühe wert. Eine richtige Zeit- und Sittengeschichte wird das. Politik, Kunst, Sozialkritik, einfach alles kann man da hineinbringen.«
Ich hockte mich neben Toni auf den Boden und begann in den Blättern und Büchern zu wühlen, die den Fußboden bedeckten. Alles war da. Alte Zeitungsausschnitte, Programme, Texte, Lieder, Bilder und Zeichnungen und mehrere Hefte voller Namen mit Stichworten.
»Das ist gewaltig, was du hier gesammelt hast«, sagte ich.
»Gell? Gar so faul, wie ihr vielleicht denkt, bin ich auch net. Und ich krieg' noch mehr. Und Leute gibt's heute noch genug in Schwabing, die dir viel erzählen können. Hast noch was zu trinken?«
Die dritte Flasche war leer, und wir machten uns an die vierte.
Es wurde spät, bis wir ins Bett gingen, alle drei beschwingt und angeregt und sehr beschäftigt mit dem neuen Plan.
»Das ist allerhand Arbeit«, sagte ich. »Da wirst du eine ganze Weile hierbleiben müssen.«
»Ich bleib', bis das Buch fertig ist.«
Ich blickte Steffi an. Sie wußte, was ich dachte, und lächelte ein wenig. Eigentlich schade um unsere schöne Zweisamkeit. Andererseits – diese neue Arbeit lockte mich.
Toni war entzückt von der Kammer, Lix' kleinem Zimmer, das ihm als Behausung angewiesen wurde.
»Nett«, sagte er, »sehr nett. Grad, was ich brauch'. Und allein bin ich hier. Ich stör' euch schon nicht. Ihr könnt's machen, was ihr wollt.«
Sehr unternehmungslustig waren wir an diesem Abend nicht mehr. Steffi schlief in meinem Arm ein, den Kopf auf meiner Schulter. Und mir war, als sei das seit Ewigkeiten schon gewesen. Jetzt war also zu der neuen Frau und dem neuen Leben noch ein neues Buch dazugekommen. Und den Toni mußte man halt in Kauf nehmen. Mal sehen, wie lange er es aushielt auf dem Land.
Ein hübsches Haus in Schwabing
Zunächst schien es ihm zu gefallen. Das erklärte er jedenfalls während der folgenden Tage immer wieder. Meine Waldeinsamkeit zeigte sich auch von ihrer besten Seite. Das Wetter war schön, sonnig und himmelblau, ohne unangenehm heiß zu werden. Toni war weder zu größeren Spaziergängen noch zu einem Bad im Weiher zu bewegen, immerhin akzeptierte er den Sessel, den Steffi ihm auf die Wiese neben das Haus stellte. Er bekam einen Tisch davor und kramte dort stundenlang in seinen Papieren. Sichtete, ordnete, heftete zusammen, stellte wieder um und schichtete alles fein säuberlich nach Jahrgängen und Gebieten geordnet um sich herum ins Gras. Jeden Abend wurde es schwieriger, alles ins Haus zu transportieren, ohne es durcheinanderzubringen. Schließlich machte ich im Schuppen Platz, schuf mit ein paar Brettern und Holzstücken Abgrenzungen, und dahinein wurde nun das ganze Material nach einem bestimmten Plan gelagert. Natürlich geriet der Toni
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