Der Sommer des glücklichen Narren
immer wieder ins Erzählen, wenn er auf dies oder jenes stieß, und ich begann mir während seiner großen Monologe Stichworte aufzuschreiben und Notizen zu machen. Wer weiß, ob ihm das später wieder einfiel, wenn man an die entsprechende Stelle kam. Und manche seiner Anekdoten und Geschichten waren so gut, daß man sie einfach festhalten mußte.
Die Arbeit an meinem begonnenen Buch hatte ich ganz aufgegeben, sehr weit war ich ja sowieso noch nicht gekommen, und jetzt war an eine Weiterarbeit nicht zu denken. Dafür lebte ich mich immer mehr in das neue Buch ein und geriet schon nach wenigen Tagen in einen rechten Arbeitseifer. Der Toni war noch keine Woche heraußen, da hatte ich das erste Kapitel fertig. Und in aller Bescheidenheit vermerkt: es war mir gut gelungen. Eine kurz zusammenfassende Einführung, abgeschlossen von einer echten skurrilen Schwabinger Geschichte und dann mit einem Sprung zurück in die dörfliche Vergangenheit des Münchner Montparnasse. Steffi gefiel es auch sehr gut. Und Toni sprach mir, halb widerwillig, seine Anerkennung aus. Das erhöhte meinen Arbeitseifer noch. Wenn es mir gelang, diesen Ton, diesen vollen Schwung beizubehalten, dann – stop! Keine Vorschußlorbeeren, die man sich selbst ums Haupt wickelt. Erst mal fleißig arbeiten.
Das einzige, was mir Sorge machte, war der rapide Schwund meines Alkoholvorrats. Rosalind hatte sich seit jenem turbulenten Tag nicht mehr blicken lassen. Es war also kein Nachschub gekommen, und auch meine eigenen bescheidenen Vorräte gingen zur Neige. Ich versuchte, den Toni zu erhöhtem Bierkonsum anzuregen, er war auch dafür zu haben, jedenfalls tagsüber. Aber wenn es Abend wurde, verlangte er unnachsichtig nach Wein. Wir hatten den weißen getrunken, dann den roten, und eines Abends war die letzte Flasche geleert.
»Nix mehr da?« fragte Toni enttäuscht. Es war erst halb zehn, und er hatte noch Appetit. »Schau mal richtig nach.«
»Da is nix mehr nachzuschauen. Wir sitzen auf dem trockenen.«
Zwei Flaschen Sekt waren noch da, aber die wollte ich retten.
»Komischen Haushalt hast du da beieinand«, grollte der Toni.
»Hör mal, mein Lieber, dies ist keine Kneipe, sondern ein schlichtes, bürgerliches Heim. Und ohne die Hilfe einer mir freundlich gesinnten Dame wäre schon lange nichts mehr dagewesen. Auf den Besuch eines Säufers bin ich nicht eingerichtet.«
»Wer arbeiten will, muß was zu trinken haben. Wenn ich trocken sitz', fällt mir nix ein.«
»Erstens arbeiten wir heute abend sowieso nicht mehr, und zweitens braucht dir nichts mehr einzufallen. Jedenfalls im Moment. Ich habe genug Stoff für die nächsten Wochen. Wenn ich deine Einfälle wieder brauche, werde ich Nachschub besorgen.«
»Du bist ein undankbarer Rotzbub«, stellte der Toni freundlich fest. »Das ist der Dank, daß ich einen berühmten Schriftsteller aus dir mache.«
»Ich werde morgen nach Tanning fahren und was einkaufen«, schlug Steffi vor.
»Gibt's da auch was Gescheites?« fragte Toni mißtrauisch.
»Du wirst trinken, was du bekommst«, beschied ich ihn energisch. Und zu Steffi gewandt: »Einkaufen werde ich. Nicht du.«
Denn Steffi war in dieser Woche ohnedies öfter zum Einkaufen gefahren und hatte uns gut und reichlich ernährt. Ich hatte ihr zwar einige Male Geld mitgegeben, aber sie hatte sicher mehr ausgegeben. Es wurde nötig, daß ich in die Stadt fuhr und zu meiner Bank ging. Ein paar hundert Mark würden noch auf meinem Konto liegen. Wenn ich meinem Verleger schrieb, würde er mir auch etwas schicken. Aber es ging nicht an, daß meine gesamten Einkünfte durch Tonis unersättliche Kehle flossen.
»Wenn wir jetzt schreiben«, regte der Toni an, »dann werde ich beim Verlag nach einem größeren Vorschuß fragen.«
»Nichts da«, erwiderte ich. »Nicht in diesem Stadium. Erst müssen mindestens zweihundert Seiten brauchbares Manuskript vorliegen.«
»Die hast du bald«, meinte Toni hoffnungsvoll. »Du bist ein fleißiger Mensch. Und Verleger zahlen gern Vorschüsse. Das ist ihre Hauptbeschäftigung. Ohne Vorschüsse keine Autoren, und ohne Autoren keine Bücher. Vorschuß zahlen ist für einen Verleger Selbsterhaltungstrieb.«
Wir besprachen, daß Steffi und ich am nächsten Tag in die Stadt hineinfahren, einmal übernachten und am Tag darauf zurückkehren würden.
»Ihr wollt mich hier allein lassen?« fragte Toni angstvoll.
»Dich stiehlt schon keiner. Dorian paßt auf dich auf.«
Sehr wohl fühlte er sich nicht in seiner Haut, als
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