Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sommer des glücklichen Narren

Titel: Der Sommer des glücklichen Narren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
Vom Netzwerk:
und werkeln durfte, an dessen Leben sie teilnahm, genau wie er an ihrem. Sie kochte sehr gut, das betonte er des öfteren. Ihr Schweinsbraten sei ein Gedicht, und Nockerl könne sie machen, die einem auf der Zunge zergingen. Die Geschichte währte nun schon über ein Jahr. Und seit einiger Zeit hatte sich die Witwe in den Kopf gesetzt, ihn zu heiraten. Erstens wegen der Leute, und zweitens sei es überhaupt besser, wenn der Mensch seine Ordnung im Leben habe. Der Toni meinte, die habe er so auch, und man müsse gar nichts an dem bestehenden Zustand ändern.
    »Kannst du verstehen, warum eine mich heiraten will? Sag amol ehrlich?« fragte er mich.
    »Offen gestanden, nein«, mußte ich antworten.
    »Vielleicht ist es – Liebe?« warf Steffi ein.
    »Liebe!« winkte der Toni verächtlich ab. »Schmarrn. In unserem Alter.«
    Kurz und gut, es gab immer wieder mal Auseinandersetzungen über das Thema, es gab Tränen, und der Toni trieb sich nächtelang in Schwabing herum, und wenn er nach Hause kam, war die Stimmung unerfreulich, doch dann kochte sie ihm wieder sein Leibgericht, und sie versöhnten sich wieder, und alles fing von vorn an.
    Und neulich, als es ihm wieder einmal besonders gut geschmeckt hatte und er ein paar Glas getrunken hatte, da hatte er schließlich gesagt: »Also meinetwegen, in Gottes Namen, wann's unbedingt sein muß, heiraten wir halt.«
    Aber das hatte er am nächsten Tag schon wieder bereut. Und für heute nun hatte die bräutliche Witwe zu einer Art Verlobungsfeier geladen, ein paar gute Freunde; und ihr Sohn, der in Augsburg lebte, wollte extra mit seiner Frau nach München kommen, und alles wurde auf einmal todernst, da war der Toni ausgerissen. Und da er nicht wußte, wohin, Geld hatte er ja wie üblich nicht, war er auf mich verfallen.
    »Ich hab' an Zettel dagelassen, ich fahr' in Urlaub. Und bei dir heraußen ist ja so eine Art Sommerfrische, net wahr?«
    Der junge Mann mit dem Bart, der den kleinen Tabakladen und den Zeitungshandel an der Ecke betrieb und der den Toni immer gratis so viel Zeitungen lesen ließ, wie er wollte, hatte ihn herausgefahren und Stillschweigen gelobt.
    Und da war er nun. Der verhinderte Hochzeiter.
    »Das ist aber nicht nett von Ihnen«, meinte Steffi, als wir die ganze Geschichte schließlich erfahren hatten. »Sie blamieren die arme Frau doch. Denken Sie mal, wenn nun die Gäste kommen, und Sie sind nicht da.«
    »Also ich hab' ja nicht heiraten wollen. Sie hat wollen. Und kein Mensch hat ihr geheißen, Leut' einzuladen, net wahr? Sie kann ja sagen, ich bin krank. Oder gestorben. Wird ihr schon was einfallen. Den Weibern fällt immer was ein. Kein Mensch kann von mir verlangen, daß ich das Theater mitmach'.«
    Zugegeben, sehr geschickt war es von der Witwe nicht gewesen, sich Gäste einzuladen und den Toni vorzuführen. Dafür war er nicht das rechte Objekt. Lieber erst heiraten und dann so peu à peu die Familie einführen, das wäre besser gewesen.
    »Tut's Ihnen nicht leid?« fragte Steffi eindringlich. »Soll ich Sie hineinfahren? Ich tu's gern.«
    »Also bitte schön, meine Gnädigste, drängeln S' mi net. Wann's mi net haben wollts, nachher geh' ich und schlaf im Wald. Mir ist eh alles gleich. Nach München fahr' ich nicht eina. Ganz gewiß net.«
    Dabei blieb er.
    Wir aßen zu Abend, und Toni entwickelt einen beachtlichen Appetit. Wir tranken eine Flasche Wein, und die Witwe blieb Gesprächsthema. Wir erfuhren eine ganze Menge von ihr, was sich gar nicht so übel anhörte. Bei der zweiten Flasche kam der Toni auf sein Lieblingsthema: Schwabing, die Menschen, die dort lebten, die Künstler und besonders die Schreiberlinge. Er kannte sie alle, auch die, mit denen er nicht zusammenkam. Er kannte Gott und die Welt, und wenn er es verstanden hätte, Kapital aus seinen Begegnungen zu schlagen, hätte er ein reicher Mann sein können. Vorausgesetzt, er arbeitete, wozu er selten aufgelegt war.
    Jetzt aber doch. Das erfuhren wir bei der dritten Flasche. Toni begann nämlich die Kartons auszupacken, die er mitgebracht hatte. Und was dabei zum Vorschein kam, war ein ganz ansehnliches Archiv.
    »Is net so, daß du nur zum Spaß auf der Welt bist«, sagte er zu mir. »Wenn ich schon heraußen bin, wirst was arbeiten.«
    »Ich?«
    »Ja, du. Ich werd' dir schon helfen. Wir schreiben ein Buch. Ich hab' einen festen Auftrag.« Und er nannte den Namen eines sehr bekannten Münchener Verlages und dann noch den Namen einer großen Illustrierten mit einer Riesenauflage.

Weitere Kostenlose Bücher