Der Sommer des glücklichen Narren
kleine Egoistin, mein Kind. Schließlich leben noch andere Menschen auf dieser Erde.«
»Ich fand es viel schöner, als wir allein waren. Und ich dachte, du findest es auch schön.«
»Doch, das tat ich auch. Aber …« Ich wußte nicht, was ich weiter sagen sollte.
Sie hielt Jessica an und wandte sich mir zu. »Aber was?«
Ich war um eine Antwort verlegen. Sie schien auch keine zu erwarten.
»Siehst du«, sagte sie, und es klang richtig traurig, »du machst dir eben nichts aus mir.«
Ich lachte ein wenig gezwungen. »Aber Gwen, sei doch nicht albern. Was hast du erwartet, was ich tun soll? Dich entführen? Dich verführen? Du bist achtzehn, nicht?«
»Na und? Gefallen dir alte Frauen besser?«
Ich sah sie nur schweigend an, und ihr Blick ging an mir vorbei ins Land.
»Ich bin eklig, nicht?« fragte sie leise.
»Ziemlich. Das ist schade. Ich dachte, wir wären Freunde.«
»Jetzt nicht mehr?« Sie lächelte auf einmal.
»Ich weiß nicht.«
»Bist du wieder allein?«
»Nein. Ich habe sogar zwei Besucher.«
»Alle beide?«
»Was, alle beide?«
»Na, die alle beide, die damals da waren.«
»Nein. Nicht die alle beide. Fräulein Bergmann ist da und dann noch ein Freund von mir, ein Kollege.«
»Wo schlafen die denn?«
Eine peinliche Frage. Achtzehnjährige haben schon manchmal eine vertrackte Art zu fragen.
»In jedem Zimmer einer«, sagte ich. Hoffentlich stellte sie nun nicht fest, daß das Sofa im Wohnzimmer als Nachtlager höchst ungeeignet sein müßte.
Aber sie sagte nur: »Bißchen voll in deinem Haus.« Und dann, ohne weiteren Übergang. »Gehen wir ein bißchen springen?«
»Gern«, antwortete ich, erleichtert, daß das Examen vorüber war. Wir ritten zu unserem kleinen Parcours und gingen abwechselnd über die Sprünge.
»Jessica ist wieder reichlich unruhig«, sagte ich. »Du mußt sie wild geritten haben in letzter Zeit.«
»Spring du sie mal«, sagte sie und war schon abgesessen.
Ich zögerte. Ich hatte wenig Lust, mir mit der ungestümen Jessica das Genick zu brechen. Aber ich durfte kein Feigling sein, dann hatte ich es ganz mit der kleinen Fürstin verdorben. Ich bestieg also Jessica, ließ sie zweimal im Trab ruhig in der Runde gehen, nahm dann einen Sprung, parierte sie durch, dann noch einen, wieder eine Trabrunde und dann alle Sprünge hintereinander. Ich ließ ihr den Kopf möglichst frei und vermied es, die Sporen zu benutzen. Sie nahm die Sprünge ruhig, ohne wie sonst mit dem Kopf zu schlagen und nach jedem Sprung hysterisch loszupreschen.
»Du machst es wirklich besser als ich«, konstatierte Gwen sachlich.
»Du könntest es genauso«, sagte ich. »Du mußt ruhiger werden, dann wird das Pferd auch ruhiger.«
»Ich werd' es noch mal probieren.«
»Heute nicht mehr. Es langt. Kommst du mit zum Baden?«
»Darf ich denn?«
»Natürlich.«
Wir ritten langsam zum Waldhaus hinunter, dabei erzählte ich ihr ein wenig von Toni und unseren Plänen. Sie fand es interessant. Dann erkundigte ich mich nach dem Grafen und seiner Frau.
»Denen geht es gut.«
»Hat sich dein Onkel nicht gewundert, daß wir nicht mehr zusammen geritten sind?«
»Das weiß er nicht.«
»Das weiß er nicht?«
»Nein. Ich habe jeden Tag irgend etwas von dir erzählt.«
»So.« Ich war ziemlich konsterniert. »Das hätte ich mal hören mögen.«
»Oh, immer ganz seriöse Sachen. Er findet, du bist eine gute Gesellschaft für mich.«
»Das hoffe ich. Sag mal, kennst du den Flux?«
»Den braunen Wallach?«
»Ja.«
»Natürlich. Ich habe ihn neulich sogar geritten. Jessica hat zwei Tage gelahmt.«
»Kein Wunder, bei deiner Art zu reiten.«
»Was ist denn mit dem Flux?«
»Ich dachte, ob ich ihn mir nicht mal ausleihen kann. Steffi möchte gern reiten lernen.«
»Kann sie das denn nicht?« Alle Verachtung der Welt schwang in Gwens Stimme.
»Weißt du, es gibt einige Leute, die nicht reiten können.«
»Komische Leute müssen das sein.«
Ein wenig Bange hatte ich vor dem Zusammentreffen zwischen Gwen und Steffi. Aber Ihre Durchlaucht war durchaus huldvoll. Sie begrüßte Steffi artig, schien auch Toni ulkig zu finden, nach dem Baden setzte sie sich zu ihm ins Gras, halb nackt natürlich wieder, und ließ sich von ihm Schwabinger Geschichten erzählen.
Von diesem Tag an gehörte Gwen wieder zu unserem Hauswesen. Sie hatte sich wohl doch sehr gelangweilt, und sie schien froh zu sein, daß unsere Beziehungen wiederhergestellt waren. Wir ritten zusammen, badeten zusammen, und dann hing sie
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