Der Sommer des glücklichen Narren
andere Damen, die sich gleichfalls für die Badesaison ausrüsteten. Das ergab manch ulkiges Bild, denn nicht jede hatte eine so gute Figur wie meine Steffi.
Mittags gingen wir ins Bratwurstglöckl, wo es von Fremden wimmelte und wo wir nur nach einigem Warten zwei bescheidene Plätzchen an einem großen Tisch ergatterten. Kunststück, die Schweinswürstl waren auch zu gut. An unserem Tisch saß ein Amerikaner, der in Windeseile zwanzig Stück verdrückte. Immerhin eine beachtliche Leistung, und ich sagte: »Kein Wunder, daß sie den Krieg gewonnen haben.«
Am Spätnachmittag trafen wir im Waldhaus ein und fanden einen ziemlich kleinlauten Toni vor. In der Nacht sei es schrecklich gewesen, der Wind habe in den Bäumen gejault – gejault, sagte er wirklich, dabei war gar kein Wind gewesen –, und im Haus habe es geknarzt und gestöhnt, und die Spiegeleier seien ihm verbrannt, und überhaupt sei das Landleben auf die Dauer nichts für ihn.
Nun ja, meinte Steffi, das könne sie schon verstehen, wo er doch in Schwabing so hübsch wohne, ein ganz reizendes Haus, und die Frau Obermeier sei eine reizende Dame, und er solle sich schämen. Der Toni war eine Weile sprachlos und wollte dann wissen, was wir denn um Himmels willen angestellt hätten. Wir berichteten, er hörte sich das stumm an, gab keinen Kommentar, sondern blickte ausgesprochen nachdenklich in die Landschaft. Dann verzog er sich mit einer Flasche Wein und den Zeitungen in seinen Sessel unter dem wilden Apfelbaum. Wir überließen ihn, wie wir hofften, seiner Reue.
Gwen kehrt in den Schoß der Familie zurück
Am nächsten Morgen bei meinem Ausritt traf ich Gwen. Ich war natürlich während der vergangenen Tage jeden Morgen geritten, aber niemals war mir Gwen begegnet. Weder bei der Brücke in Ober-Bolching, wo ich einige Male nach ihr Ausschau gehalten hatte, noch unterwegs.
Steffi hatte inzwischen bei mir die ersten Reitstunden genommen. Sie stellte sich recht geschickt an, erinnerte sich an vieles, was sie einmal gelernt hatte. Nur war natürlich Isabel mit ihrem empfindlichen Maul und gewohnt, auf kleinste Andeutungen von Hilfen zu reagieren, nicht das geeignete Pferd für einen Anfänger. Eigentlich hatte ich die Absicht gehabt, bei dem Grafen Tanning seinen alten Flux auszuleihen, der ein gutes Reitpferd war, doch jetzt schon lange nicht mehr viel tat. Aber ich war nicht zum Gut geritten, eben wegen Gwen. Wenn sie bockte, sollte sie. Ich würde ihr nicht nachlaufen.
Heute nun traf ich sie also. Ich ritt eine Waldschneise entlang, und wie ich zum Waldrand kam, preschte sie auf einmal von der Seite heran. Wie immer in voller Fahrt. Ein schmaler, hellblonder Junge im weißen Hemd auf dem kupferfarbenen temperamentvollen Vollblüter.
»Hei!« rief sie. Und parierte ihr Pferd aus vollem Lauf zum Stand.
»Guten Morgen«, sagte ich, »sieht man dich auch wieder mal?«
Sie schenkte mir einen flüchtigen Blick und sagte lässig: »Ich bin letzthin nicht in diese Gegend gekommen. Meist war ich da drüben hinaus.« Sie wies vage in die Gegend, die jenseits von Tanning lag.
»Auch sehr hübsch da«, sagte ich.
»Ja. Wie geht es Ihnen?«
»Oh, danke, soweit ganz gut. Sind wir wieder per Sie?«
Sie errötete, runzelte die Stirn und kitzelte Jessica mit den Sporen, die daraufhin unruhig tänzelte.
»Entschuldigen Sie, Durchlaucht, daß ich wagte, Sie zu duzen«, sagte ich. »Ich wußte nicht, daß unser Status sich geändert hat.«
»Quatsch«, sagte sie, »red keinen Unsinn. Wollen wir hier über die Wiese?«
Ehe ich antworten konnte, schoß sie mit Jessica davon und war nicht mehr einzuholen, sosehr sich Isabel auch streckte.
Dann ritten wir eine Weile schweigend im Schritt nebeneinander.
»Bist du böse auf mich?« fragte sie dann.
»Nein. Warum sollte ich?«
»Weil du gar nichts sagst.«
»Du doch auch nicht.«
Wieder eine längere Pause.
»Ich dachte immer, du kämst mal vorbei. Zum Baden wenigstens, wenn du schon nicht mehr mit mir reiten willst.«
»Ich wäre schon gekommen. Aber ich wußte nicht, ob es erwünscht ist.«
»Warum denn nicht? Du weißt, ich habe mich immer gefreut, wenn du da warst.«
Sie schoß einen raschen Blick zu mir herüber. »Zuletzt hatte ich nicht den Eindruck.«
Ich lächelte sie sehr gelassen an und schwieg.
»Da war es dir gar nicht recht, daß ich da war. So ist es doch?« stieß sie schließlich trotzig hervor. »Mit deinen ganzen Frauen da.«
»Ich werde doch mal Besuch bekommen dürfen. Du bist eine
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