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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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algerischen Bagno gesagt?»
    Der Alte sprach zwar verständlicher als die Zuckersieder, aber vielleicht hatte sie sich doch verhört.
    «Genau», sagte der Alte. «Ich hab ihn gesehen, auf der Steinstraße. Fein wie ein Herr, und alle dachten, der ist bei den Barbaresken verfault.»
    «Bring noch Branntwein, Jakobsen», flüsterte Rosina dem Wirt zu. Laut sagte sie: «Sicher trinkt Ihr ein Glas mit mir, ich möcht Euch gerne ein bisschen zuhören.»
    «Nicht so vornehm, mein Junge, sag einfach Broder.»
    «Ist mir eine Ehre, Broder. Sag doch noch einmal, was du eben erzählt hast. Wer ist im Bagno verfault? Und wann?»
    «Also», Broder nahm den Branntweinbecher, prostete diesem jungen Mann zu, der noch auf die Lebenserfahrungen der Alten hielt, trank und leckte sich genüsslich die Lippen.
    «Unser Jakobsen hat den besten Branntwein», sagte er, «und nu hör zu, Junge.»
    Zuerst erzählte er ziemlich umständlich, wie er sein erstes Schiff bekam, und gerade als Rosina überlegte, ob der Branntwein eine gute Idee gewesen war, wurde es spannend.
    «Aber das wolltest du ja gar nicht wissen, was? Also der aus dem Bagno. Da war eine Sache, ganz lange her, das muss spät in den Dreißigern gewesen sein, mein Bruder war gerade vor Spitzbergen geblieben, da fuhr mein anderer Bruder, ich hab nämlich sechs davon gehabt, sind aber alle tot, auf einem Schiff, das haben die Barbaresken aufgebracht.»
    Nun folgte eine ziemlich blutrünstige Schilderung des Überfalls, und Rosina brauchte ihren ganzen, notorisch kleinen Vorrat an Geduld, um den Alten nicht zu unterbrechen.
    «Meinen Bruder ham sie zuletzt auch noch ausgelöst», sagte er schließlich. «Der hat immer ordentlich in die Sklavenkasse gezahlt, da ist das nur recht und billig. Und als er nach vier Jahren wiederkam, hat er erzählt, dass da noch welche übrig sind. Aber das wollte keiner hören. Das waren welche, ham sie gesagt, die sie nicht auslösen durften, weil die feige vor dem Feind waren. Mein Bruder, der ist nu auch schon lange tot, mein Bruder hat gesagt, das stimmt nicht. Er war dabei und hat gesehen, wie die gekämpft haben. Wie Stiere, sagt er, aber keiner hat gehört. Die anderen, die gesehen haben, dass die feige waren, galten eben mehr in der Stadt. Der Kapitän war ja auch dabei, und da kann ein einfacher Matrose viel reden. Hat mein Bruder dann auch nicht mehr gemacht, sonst hätte er wohl nie wieder ’ne Heuer gekriegt. Gegen einen Kapitän aussagen, das ist nicht gut. Stimmt doch, Jakobsen, oder?»
    «Aber du hast vorhin noch was anderes gesagt, Broder», drängte Rosina, die sich endlich vorm Ziel sah. «Du hast einen von denen, die damals im Bagno bleiben mussten, in der Steinstraße gesehen? Wann? Und wie heißt er?»
    «Genau. In der Steinstraße. Die da», er zeigte mit dem gichtigen Daumen über seine Schulter zu den dösenden Männern auf der Bank, «die sagen, ich spinne. Im Bagno wird keiner alt, und zurück kommt auch keiner, wenn er nicht ausgelöst wird. Aber ich hab immer noch Augen wie ein Adler. Ich kenn den, weil ich mal mit ihm auf einem Schiff gefahren bin, da war er noch Schiffsjunge. Ich hab ihn gern gehabt, war ’n kleiner kräftiger Kerl, und schlau, der ist sogar zur Schule gegangen und war auf dem Schiff von meinem Bruder wohl schon zweiter Steuermann. Hast du noch einen Schluck, Jakobsen? Das ist fein. Ich hab ihn gleich erkannt, nicht nur weil dem an der linken Hand ein halber Finger fehlt. Den hat er in die Leinen gekriegt, kommt oft vor, wenn die Jungs noch grün sind.»
    Er zeigte kichernd auf seine rechte Hand, an deren Mittelfinger die obersten beiden Glieder fehlten.
    «Wer ist er? Weißt du seinen Namen nicht mehr?»
    «Nee. Augen wie ’n Adler, aber Namen? Nää.»
    «Macht ja nichts», sagte Rosina. «Aber vielleicht war er in Begleitung? Oder ging er in ein bestimmtes Haus?»
    «Nee. Und ja. Er ging in kein Haus, aber er war mit Bocholt unterwegs, den kenn ich auch, weil ich mal ’ne Zeit auf seinem Speicher im Grimm an der Seilwinde gestanden habe. Hat die Nase immer hoch, der Bocholt, zahlt auch nicht gut. Wo willst du denn so eilig hin, Junge? Ich wollt dir doch noch erzählen, der Oswald, den der Marburger bankrott gemacht hat, der hat auch mit ihm gesprochen, ist ja klar, wo sein Onkel auch auf dem Schiff war und nich wiedergekommen is.»
    Es war immer dasselbe, keiner hörte ihm richtig zu.
     
    Rosina war nun klar, wer der Mann auf der Steinstraße gewesen war. Sie musste sofort zu Claes Herrmanns. Wo

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