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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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darauf. «Und nun fürchtest du», fuhr sie fort, «ich könnte glauben, Christian sei gegen Morgen zurückgekehrt und habe seine Drohung wahr gemacht.»
    «Glaubst du das?»
    Sie drehte sich um, sah hinaus in den Garten, als könne sie dort die Wahrheit oder wenigstens die alte Klarheit ihrer Gedanken finden, dann sah sie ihn fest an.
    «Zuerst habe ich es geglaubt. Für einen winzigen Moment. Es lag so nahe. Doch dann sah ich ihn vor mir, deinen Sohn, und konnte es nicht mehr glauben. Er gleicht dir so sehr, Claes, so sehr, dass es mir den Atem nahm, als ich ihn das erste Mal sah. Das sollte ich dir sicher nicht sagen, Struensees Tee macht wohl nicht nur matt, sondern auch schwatzhaft.»
    Sie beugte sich vor und strich sanft mit den Fingerspitzen über seine Hand.
    «Er hat auch deine Hände, Claes. Die gleichen Hände, die du damals hattest. Er bewegt sich wie du. Wusstest du das? Eltern erkennen wenig von sich selbst in ihren Kindern.»
    Ihre Hand lag auf seiner, und er spürte heiß die Berührung ihrer kühlen Haut.
    Dann lehnte sie sich abrupt zurück, faltete die Hände fest im Schoß und schloss die Augen.
    «Gunda …»
    «Psst, sag nichts. Das ist lange her, und heute ist heute. Ein schlechter Tag.»
    Sie schlug die Augen auf und sah ihn an, fest und klar, als habe sie seine Hand nie berührt.
    «Nein, ich glaube nicht, dass dein Sohn zurückgekommen ist, um meinen Mann zu erschlagen.» Ihre Worte klangen hart, aber er wusste, dass sie diese Härte jetzt brauchte. «Er ist zu weich für eine solche Untat. Und sollte er danach fragen, auch Lucia glaubt nicht an seine Schuld. Aber das ändert nichts, absolut nichts an meinem Verbot, sie zu treffen. Er soll es nicht wagen, an unsere Tür zu klopfen. Oder jemals wieder unseren Garten zu betreten. Bei Tag oder bei Nacht. Und nun musst du gehen. Ich bin sehr müde.»
    «Erlaubst du noch eine letzte Frage?»
    «Das kommt auf die Frage an.»
    Ein Hauch des alten vertrauten Lächelns glitt plötzlich über ihr Gesicht, und Claes fasste Mut.
    «Es gibt noch einen Grund, warum ich mit dir sprechen musste. Aber der hat weder mit uns noch mit unseren Kindern zu tun. Der Tod deines Mannes ist eine Tragödie, und sein Mörder muss gefunden werden. In den letzten Tagen sind noch zwei andere Männer gestorben. Der eine wurde erschlagen, der andere starb im Pesthof, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass man ihm vorher ein Gift gab, das seine Sinne verwirrte und letztlich zu seinem Tod führte. Verzeih, ich will dich nicht noch mehr beunruhigen, aber ich muss dich fragen, denn ich habe den Verdacht, dass diese drei Tode zusammenhängen, dass es irgendeine Verbindung gibt. Frag heute bitte nicht, warum, die Geschichte ist ganz vage und zu verworren, um dich jetzt damit zu belasten. Aber sage mir bitte: Weißt du, ob der Kapitän einen Dichter mit Namen Lysander Julius Billkamp kannte? Oder Augustus Marburger? Ihm gehörte eine der größten Hamburger Zuckerbäckereien. Hat er sie besucht, mit ihnen Geschäfte gemacht, oder waren sie je in eurem Haus?»
    Gunda schüttelte langsam den Kopf. «Die Namen sagen mir nichts», sagte sie dann. «Und ich bin ziemlich sicher, dass auch der Kapitän sie nicht kannte. Ein Dichter und ein Zuckerbäcker? Wie seltsam. Das müsste ich wissen. Aber außer mit einigen Brüdern aus unserer Gemeinde verkehrte er mit niemandem, seit wir hier leben. Und er ging auch nie ohne mich aus. Nein, Claes, ich glaube nicht, dass er sie gekannt hat. Ich bin sogar sicher.»
    «Ich danke dir, Gunda. Ich hatte zwar auf eine andere Antwort gehofft, um endlich den Anfang eines Fadens in diesem wirren Knäuel zu finden, aber auch diese wird uns weiterhelfen.»
    Er erhob sich und wollte ihr zum Abschied die Hand reichen, doch als er sah, dass sie ihre Hände immer noch fest gefaltet im Schoß hielt, verbeugte er sich und wandte sich zur Tür. «Wenn du Hilfe brauchst, Gunda, ich hoffe, du weißt, dass du sie immer bei mir findest. Ich will dich nicht beleidigen, aber ihr habt wenig Freunde hier, und wenn eure Verhältnisse …»
    «Unsere Verhältnisse? Die sind ausgezeichnet.» Sie lachte spöttisch, aber ihre Stimme klirrte vor unterdrücktem Zorn. «Der Kapitän war ein reicher Mann. Während unserer Jahre auf Madeira und in Bristol hat er sich sehr erfolgreich am Sklavenhandel beteiligt. All das, was du hier siehst, und auch etliches, was du nicht siehst, ist mit dem Diebstahl und Verkauf von Menschen bezahlt.»
    Er war schon fast auf der Treppe, als er sie

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