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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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machen, heimlich mit dem einen oder anderen zu sprechen.
    Rosina zählte sechs Klärpfannen, große Kupferbottiche über glühendem Kohlenfeuer. An jeder stand ein Mann mit einer riesigen weißen Schürze und rührte mit einem dicken Holz in der Masse. Die begann im zweiten Kessel gerade zu kochen, zähe Blasen stiegen auf und platzten, und an den Rändern des Bottichs sammelten sich trüber Schaum und allerlei Schmutz. Auf einen Pfiff des Mannes mit dem Rührholz eilte ein Junge herbei, ein fast kahlköpfiger vierschrötiger kleiner Kerl, und schob nasse Kohlen aufs Feuer, um die Hitze zu dämpfen. Dampf und Geruch der zischenden schwarzen Brocken unter dem Kessel mischten sich mit dem des Zuckers. Nachdem die Masse kräftig gekocht und geblubbert hatte, ließ sie der Zuckerknecht durch ein dickes Rohr am Boden des Kessels in einen anderen, spiegelblank geputzten ablaufen.
    «Weiter, Mylau. Drüben sind sie schon beim nächsten Schritt.» Pagerian schob sie vor sich her zu zwei Männern und einem Jungen, die mit großen Messern aus einer zähen Masse in einer anderen Pfanne handgroße Stücke schnitten. Das war schon vorher abgelassener Zucker, der nun abgekühlt und steif geworden war. Die weißlichen Brocken warfen sie in einen weiteren Kessel, unter dem ein heißes Feuer loderte.
    «Wird der Zucker jetzt noch mal gekocht?», fragte Rosina. Ihr Interesse war mittlerweile nicht mehr geheuchelt.
    «Gewiss», Pagerian nickte eifrig. Die Hitze schien ihn nicht zu stören. «Wenn er in dieser Pfanne tüchtig gekocht hat, werden der Schaum wie der Schmutz abgeschöpft, und der Zuckersaft ist klar und gelblich wie Rheinwein. Kommt weiter.»
    In einer anderen Ecke des großen Raumes gossen Männer heißen Zuckersaft durch Tücher aus weichem weißem Wollstoff. Er sammelte sich darunter in einer großen, flacheren Pfanne.
    «Die Kühlpfanne», erklärte Pagerian. «Wenn der Saft etwas abgekühlt ist, wird er in die Formen gegossen.»
    Er eilte ihr voraus die Treppe hinauf und zeigte auf lange Reihen von Tonformen, die mit der Spitze nach unten in bauchigen Töpfen standen. Vier Männer trampelten die Treppe herauf und drängten sich an ihnen vorbei.
    «Hier stören wir jetzt», sagte Pagerian. «Es ist auch nicht mehr viel zu sehen. Die Knechte bringen die Formen nun auf den nächsten Boden.»
    Rosina beobachtete, wie die Männer eine Kette bildeten und die warmen, steinschweren Zuckerhutformen die Treppe mehr hinaufwarfen als -reichten.
    «Und jetzt ist der Zucker fertig?»
    «Wo denkt Ihr hin, Mylau? Sobald der Zucker fest genug ist, werden die Formen mit englischer Erde bedeckt, das ist ein sehr delikater nasser Ton. Der sickert durch die Masse, und seine Feuchte kommt unten als gelber Sirup wieder heraus. Dann erst, es dauert gewöhnlich zehn Tage und Nächte, ist der Zucker richtig rein, weiß und süß. Die Knechte stülpen die Formen um», er machte die Handbewegung nach, als handele es sich nicht um große schwere Tonformen, sondern um zierliche Marzipanhütchen, «klopfen die Zuckerhüte heraus und prüfen ihr Aussehen.» Er blickte mit hochgezogenen Brauen auf den imaginären Zuckerhut auf seiner kleinen weichen Hand. «Wenn sie rein und scheinbar trocken sind, bleiben sie noch einmal zehn Tage in der heißen Trockenstube, bis die Feuchte auch das innerste Kristall verlassen hat. Dann erst», er hob wieder bedeutsam den Zeigefinger, «werden sie in blaue Bogen aus der neuen Papiermühle in Fuhlsbüttel gewickelt und zwischen viel Stroh in Fässer gepackt. Alle bekommen unser Zeichen, das ist ein Gesetz. Sonst könnte jeder, der eine Partie englischen Lumpenzucker anzubieten hat, behaupten, im Fass sei bester Marburger-Zucker aus Hamburg. Die Fässer müssen dann nur noch auf die Schuten abgeseilt werden, und fort geht’s in die weite Welt. Ach», seufzte er zärtlich, «die weite Welt. Manchmal möchte man doch gerne ein Zuckerhut sein.»
    Als sie wieder im Kontor waren und einander gegenseitig erlaubt hatten, die Jacken auszuziehen, stellte Rosina eine letzte Frage: «Wann beginnt denn am Morgen die Arbeit in der Siederei, Monsieur Pagerian?»
    Die Feuer, erklärte Pagerian, würden schon morgens um zwei vom jüngsten Lehrjungen entzündet, der danach auch die anderen Lehrjungen und die Knechte, die im Hause unter dem Dach wohnten, wecken müsse. Zu der Zeit kämen auch die, die ihre Wohnung in der Stadt hätten. Dann begännen sie mit ihrem Tagwerk. Einer der Knechte und drei der Jungen kämen jedoch immer

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