Der Sommer hat lange auf sich warten lassen - Roman
es endlich im Stahlwerk wieder aufwärtsging mit den neuen Aufträgen aus Deutschland. Der Schlossermeister war ihm hinterhergelaufen, und man hatte vom Stiegenhaus her gehört, wie sich die Männer angebrüllt hatten. Irgendwann war Max auf dem Sofa eingeschlafen, und der Vater musste ihn wohl später ins Bett getragen haben. Am Morgen war er von der Mutter geweckt worden, es war still im Haus gewesen. Die Männer waren bereits aufgebrochen, und Max hatte den Eindruck, er habe etwas versäumt.
Die Kastanienallee ließ Max hinter sich und lief über das schneebedeckte Feld. Er stellte sich den Vater und den Großvater vor, wie sie in der Stadt mit den Gewehren über den Schultern marschierten, und ein Kribbeln stieg ihm von der Brust in den Hals. Er hörte das Pochen seines Herzens in den Ohren, und als er innehielt, bemerkte er die Stille, die ihn umgab. Es fehlte das schwere Schlagen der Hämmer, das Quietschen und Rumpeln der Eisenbahnwaggons an den Weichen, das Poltern schwerer Stahlteile im Inneren der lang gestreckten Werkshallen. Die Nässe der letzten Tage war gefroren und überzog die Wege mit kaltem Glanz. Auf der Straße nach Thörl fuhr langsam ein gelber Postbus vorbei, er kam nur im Schritttempo voran, denn die Fahrbahn war spiegelglatt. Maxens Ungeduld wuchs stetig, er konnte es nicht mehr erwarten, zu Hause die letzten Neuigkeiten vom Streik zu erfahren. Die Straßen und Wege waren leer gefegt, niemand war an den Fenstern oder in den Hauseingängen der Siedlung zu sehen. Nachdem Max endlich die Brücke überquert hatte, lief er am Dreierhaus entlang, bog beim Gemischtwarenhandel Richtung Hinterhof mit den Holzhütten ein und hörte plötzlich harte Stiefeltritte im Gleichschritt. Er drehte sich um und sah vom Gasthaus Schatz herauf eine Gruppe von dreißig bewaffneten Arbeitern in Zweierreihen marschieren. Er kannte die meisten Männer, Josefs Vater, Ottos Großvater, Graber, ein Nachbar aus dem Achterhaus mit seinem grimmigen, schwarzen Schnurrbart. Vor diesem Mann hatten alle Respekt, wenn er mit seiner brummenden Bassstimme Streitigkeiten unterbrach. Die Jungen wären am liebsten sofort losmarschiert. Geduld war nicht ihre Sache. Max erkannte den Schlossermeister, der mit einem Zwinkern an ihm vorbeizog, er wohnte gegenüber den Großeltern und spielte oft in der Runde mit, die sich zum Viererschnapsen an den Samstagabenden bei Großvater traf. Weiter vorne an der Straße, direkt hinter der Brücke bei den Schrebergärten, war ein Lastwagen stehen geblieben, wartete mit laufendem Motor. Der Beifahrer sprang hastig heraus, öffnete die Klappe zur Ladefläche und rief den Arbeitern zu, sie sollten sich beeilen, die Hahnenschwänzler würden nicht schlafen. Ein Motorrad kam angefahren, blieb neben dem Auto stehen, ein Mann in dicker Lederjacke, mit brauner Pelzkappe, sprang vom Sozius, nahm die Schutzbrille ab und schüttelte eilig die ihm entgegengestreckten Hände, rief den Männer etwas zu, das für Max klang wie ein Befehl. Dann schwang er sich wieder hinter seinen Fahrer und in Windeseile steuerte das Gefährt die Straße an der Zimmerhütte entlang davon. Ihm folgten die Blicke der Männer, die sich im kalten Februarlicht dicht aneinanderdrängten.
Max lief weiter in den Hinterhof, die Holztreppen zur Wohnungstür in den zweiten Stock hinauf und blieb kurz im Türspalt stehen, die Küche war voller Frauen. Sie saßen am Tisch und beugten sich über Brote, die sie mit Schmalz bestrichen. Die Mutter rührte in einem großen Kessel am Herd. Sie war früher nach Hause gekommen, blickte streng hinüber zu Max, und sagte, er solle sich dazusetzen und helfen, der Tischlermeister im Redfeld habe das Essen für die Männer spendiert und sie würden es dem nächsten Trupp nach Bruck mitgeben. Zwanzig weitere Männer stünden parat, unten beim Gasthof Schatz. Max nahm Platz, war erleichtert, nicht wie erwartet Schelte bekommen zu haben. Er begann, Brote in Papier zu wickeln, legte sie in Stapeln der Graberin bereit, die sie in Säcke packte. Die Gendarmeriekaserne in Bruck wurde belagert, ebenso der Gendarmerieposten in Kapfenberg, das Postamt wäre unter Kontrolle der Schutzbündler und einige Geschäftsleute würden beim Streik mitmachen, so viel hatten die Frauen inzwischen durch einen Boten erfahren. Max fühlte sich aufgehoben unter den Frauen in der dunstigen Küche, er wäre zwar gern mit dem nächsten Lastwagen mitgefahren, wusste aber, dass seine Mutter das nicht erlauben würde.
Die Nacht war
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