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Der Sommer hat lange auf sich warten lassen - Roman

Der Sommer hat lange auf sich warten lassen - Roman

Titel: Der Sommer hat lange auf sich warten lassen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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erblickte, rief ich in meinem alten Dialekt, so gut ich ihn noch konnte, »Mensch Olf, was machste hier?« Überrascht und suchend hatte er zu mir hinübergesehen und mich zunächst nicht erkannt. Ich drängte mich zu ihm durch, stellte mich mit meinem Mädchennamen vor und konnte die aufkommende Freude in seinen Augen sehen. »Mädsche!« Er sei auf Städtereise mit einem Kreuzfahrtschiff und gerade habe er die Führung geschwänzt, um alleine die Stadt anzuschauen. Wir setzten uns in einem nahe gelegenen Hinterhof in ein ruhiges Café. Olaf und ich hatten uns damals mit der ganzen Kinderschar in Enkheim jeden Tag zum Spielen in der Gasse getroffen. Er war es auch, der meinen Hund bekommen hatte, von dem er mir dann ausführlich erzählte. Prinz, der schwarze Rüde habe ihn unantastbar gemacht, wenn er mit ihm unterwegs war, die anderen Buben hatten sich nicht mehr getraut, ihn zu hänseln, obwohl er der Kleinste war. An diesem Nachmittag voller Geschichten von früher versuchten wir die Vertrautheit wieder zu ergründen, die zu unserem Erstaunen noch immer vorhanden war. Wir redeten von dem, was uns im Leben widerfahren war, und Olaf erzählte gedrückt über die letzten, schwierige Zeit mit seiner Frau, deren Tod einige Jahre zurücklag. Er war Arzt im Ruhestand, hatte eine Privatpraxis bis ins hohe Alter betrieben und war inzwischen ständig auf Reisen, nachdem er sein Ferienhaus in Spanien verkauft hatte, es erinnerte ihn an den Unfall seiner Frau. Sie war betrunken die Steintreppen hinuntergestürzt und an inneren Verletzungen verblutet, als sie dort ohne ihn einige Wochen verbringen wollte. Er erzählte von den Bekannten in der Feriensiedlung dort, die er immer weniger mochte. Jeden Tag trafen sie sich bereits zu Mittag in einer Bar zum Aperitif und verschwanden am Abend betrunken in ihren Bungalows mit Meerblick, in denen sie sich dann in die Einsamkeit und ins Altern verkrochen. Ich besuchte Olaf dann in Mannheim. Er holte mich vom Zug ab und zeigte mir sein Haus, das mich in seiner Nüchternheit an einen zu klein geratenen Nachkriegsschulbau erinnerte, und ich war froh, als wir die Türe wieder hinter uns schlossen und in sein Auto stiegen, um in einem Lokal außerhalb der Stadt etwas zu essen. Das Innere des Bungalows wirkte ebenso kühl wie die Fassade, alles war ordentlich und leblos, glich einem Museum, in dem man sich nirgendwo setzen konnte, weil die Art und das Arrangement der Möbel nicht dazu einlud. Vielleicht irritierte mich auch der zu einem Altar ausgebaute Platz auf der altmodischen Anrichte aus den Sechzigerjahren, der von Photographien seiner Frau überquoll. Lieselotte, als junge Frau in einem Kleid mit eng geschnittenem Oberteil, in dem ihr von einem spitzen Büstenhalter gestützter Busen zur Geltung kommt, der Rock weit schwingend, ausstaffiert mit Taftunterröcken, die hellen Haare über engelhaftem Gesicht zu einer Turmfrisur toupiert, ein wahres Meisterwerk aus Taft und Nadeln, ein Handrücken nachlässig in die Hüfte gestützt, der kleine Finger steht kokett in der Luft, der zweite Arm im Ellbogen angewinkelt, daran baumelt eine Handtasche mit halbkreisförmig gebogenem Bambushenkel. Im Hintergrund Palmen an einer Strandpromenade im Süden. Die anderen Photographien zogen meine Aufmerksamkeit nicht in gleichem Maß auf sich, doch etwas an diesem Stillleben stieß mich ab. Beim Blick durch die angegrauten Gardinen sah ich hinaus auf den verwahrlosten Garten, für den sich Olaf offensichtlich seit längerem keine Zeit mehr genommen hatte. Die Geranien an den Fenstern waren vertrocknet, das Gras zwischen den regelmäßig ausgelegten Steinplatten war hoch und verdorrt, dem Apfelbaum hatte der Sturm oder die Last des Schnees einen stattlichen Ast abgeknickt, der jetzt nur mehr mit einem Stück gebogener Rinde am Hauptstamm hing, auf der Terrasse vor dem Wohnzimmer lag das umgefallene Werkzeug quer über einem Sessel, dessen ehemals blumenbunte Sitzpolster vom Regen bräunlich verwaschen waren. In der Küche roch es abgestanden und undefinierbar nach einer Mischung aus Öl und Staub. Olaf hatte meinen langen Blick in den Garten bemerkt und sich mit einem Achselzucken entschuldigt. Er halte es im Haus kaum zwei Wochen an einem Stück aus, und die Gartenarbeit sei nie sein Metier gewesen, den Gärtner habe er gekündigt, weil er ihn im Verdacht gehabt hatte, in seiner Abwesenheit in den Zimmern herumzuspionieren. Ich war beeindruckt von der Leblosigkeit der Szenerie und Olafs Erzählungen,

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