Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman
nicht. Es war der Rücken. Und da stand er, schief und krumm und außerstande, sich zu bewegen, was in jeglicher Hinsicht qualvoll war. Er rief um Hilfe und hoffte gleichzeitig, dass niemand ihn sähe; mit anderen Worten: Es war hoffnungslos. Dann konnte er einfach nicht länger so stehen bleiben, er ließ sich zu Boden fallen, weg von den Schienen, und blieb wie ein schweres, angeschossenes Tier auf der Seite liegen.
Es war Bob Spencer, der den Pfarrer fand, als er seinen gewohnten Weg zum Railway Rest ging, acht Stunden später. Fast wäre er über ihn gestolpert, bevor er sah, was er da vor sich hatte. Bob Spencer wusste nicht, was er von diesem ungewöhnlichen Fund halten sollte.
»Ist das unser Pfarrer?«, fragte er.
»Hilf mir.«
»Bist du betrunken? Oder versuchst du auch Selbstmord zu begehen?«
»Ich bin lahm. Der Rücken. Hilf mir.«
Bob Spencer setzte sich neben dem Pfarrer auf die Schienen, zündete sich eine Zigarette an und starrte in den schwarzen Himmel.
»Vorher musst du mir sagen, warum ich den Job als Übermittler nicht gekriegt habe. Warum dieses Muttersöhnchen Farrelli ihn gekriegt hat.«
»Das spielt jetzt doch wohl keine Rolle.«
»Oh doch, das tut es.«
»Du hast Steve niedergeschlagen. Glaubst du, wir können einen Übermittler gebrauchen, der …«
»Das war hinterher. Das zählt nicht. Du willst mich anlügen. Oder soll ich gleich Arthur Clintstone holen, damit er dich wegspült?«
»Bitte …«
»Bitte? Warum habe ich den Posten nicht gekriegt?«
Und plötzlich erlebte der Pfarrer einen Moment der Freiheit, einer Freiheit, wie sie der alte, tief verwurzelte Gottesglaube ihm nie gegeben hatte, und wahrscheinlich auch niemals würde geben können. Es war ein erhabener, grenzenloser Augenblick, obwohl er wusste, dass er niemals wieder auf der Kanzel würde stehen können. Umso besser. Er war von seinen Verpflichtungen befreit. Er hatte bei Gott gekündigt und deshalb nichts mehr zu verlieren. Gott wurde in dieser Nacht in Karmack arbeitslos. Nur ein einziges Gebot gab es noch: Verflucht, du sollt nicht lügen.
»Weil du so hässlich bist, Bob Spencer. Dich zu den Angehörigen zu schicken, das hieße, sie einem weiteren Ungemach auszusetzen. So hässlich bist du.«
Bob Spencer stand langsam auf und spuckte seine Kippe in die Dunkelheit.
»Aber jetzt bin ich trotz allem der Übermittler. Ob du es willst oder nicht. Was sagst du dazu?«
»Dass du zur Hölle fahren kannst«, sagte der Pfarrer.
Bob Spencer nahm diese Information dankend an und zog weiter zum Railway Rest, trank dort sein Bier und erwähnte den Pfarrer mit keinem Wort, bis zur Sperrstunde. Es fanden sich problemlos Freiwillige. In Reih und Glied schwankten sie hinunter zu den Gleisen, nahmen den Pfarrer in ihre Mitte und trugen ihn singend durch die leeren Straßen. Am Rathaus kam ihnen Arthur Clintstones roter Van entgegen. Er fuhr häufig nachts herum, für den Fall, dass etwas passierte. Und jetzt war offenbar etwas passiert. Er kurbelte das Seitenfenster herunter.
»Was steht an, Jungs?«
Bob Spencer trat an den Wagen.
»Der Pfarrer kann sich nicht bewegen. Er lag unten an den Gleisen.«
»Irgendwelches Blut oder anderer Schmutz?«
»Soweit ich gesehen habe nicht. Aber jemand sollte die Blumen von den Mädchen wegräumen.«
»Oh Scheiße, die sind bestimmt alle verwelkt, seit ich das letzte Mal dagewesen bin. Gut mitgedacht, Bob. Sehr gut.«
Sie bugsierten den Pfarrer auf den Rücksitz, fuhren ihn das letzte Stück zum Pfarrhaus, legten ihn dort auf das Sofa und sorgten dafür, dass er zu essen und zu trinken und das Telefon in Reichweite hatte. Dann gingen sie wieder hinaus zum Wagen, setzten sich hinein und rauchten. Bob war beeindruckt, was Arthur alles an Ausrüstung dabeihatte, Gasmasken, Ganzkörperoveralls, Gummihandschuhe, Spritzschläuche, Mundschutz, Schutzbrillen, Insektenvernichter, große Behälter mit Putzmittel und Pulver, einen ganzen Stapel an Wischtüchern und Rollen mit schwarzen Plastiksäcken.
»Ich brauche einen zweiten Mann«, sagte Arthur.
»Aber nicht am Wochenende«, sagte Bob.
»Unfälle nehmen sich nicht frei.«
»Aber ich nehme mir frei.«
»Ich frage dich zum letzten Mal. Willst du den Job oder nicht? Es gibt genügend andere, die ich fragen kann.«
Der schwerfällige Bob Spencer überlegte. Nachdem er den Job als Übermittler nicht bekommen hatte, war das hier vielleicht sogar noch besser. Vielleicht war es ja genau das, was er brauchte, um so Frank Farrelli auf
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