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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Arm. Es war seine Hand. Es waren seine Finger. Er war allein wie nie zuvor. Das hatte er nicht verdient. Er schaute Steve ein letztes Mal an. Zuckte er mit den Augenlidern? Versuchte er etwas zu sagen? Bat und flehte er um sein Leben, das kein Leben mehr war, nur ein breitgetretener Tod? Frank verfluchte alles und alle. Dann fiel ihm einer von Steves Witzen ein. Hast du schon von dem gehört, der unglaubliches Glück hatte? Er wurde von einem Krankenwagen angefahren. Fast hätte Frank angefangen zu lachen. Das hätte gerade noch gefehlt. Auf jeden Fall fand er in dem Ganzen doch noch einen Sinn. Es war nicht Steve, der einem leid tun konnte. Sondern er, Frank Farrelli. Er war derjenige, der die Bürde auf sich nehmen musste, während Steve nichtsahnend dalag und einen Vorschuss auf den Tod nahm. Er war es, zu dem die Menschen jetzt aufsehen konnten. Frank fiel ein neuer Witz ein, vielleicht ein nicht ganz so guter: Hast du schon von dem gehört, der verdammtes Glück hatte, Steve? Er ist im Krankenhaus gestorben. Hinterher konnte der Arzt konstatieren, dass der Tod um 08.15 Uhr eintrat, am 4. November. Todesursache? Steve Miller starb eines natürlichen Todes. Ihn am Leben zu erhalten, war unnatürlich. Es wurde beschlossen, dass er eingeäschert und seine Asche über dem Fluss ausgestreut werden sollte, an der gleichen Stelle wie die seines Vaters. Das schien nur recht und billig zu sein. Niemand konnte von Frank verlangen, dass er für den Rest seines Lebens das Grab des Freundes pflegte. Und zwei Tage später gingen sie über die gefrorene Erde, dieses Mal mit Steves Urne. Frank dachte, er würde eine Art Erleichterung fühlen, doch er fühlte gar nichts. Blenda ging neben ihm. Hinter ihnen kamen der Sheriff und der Arzt. Der Pfarrer konnte nicht dabei sein. Er war mit der Sonntagspredigt beschäftigt. Sie blieben unten am Ufer stehen. Frank meinte etwas sagen zu müssen. Zuerst dachte er, es wäre schön, wenn er das verlassene Segelboot erwähnte, das Martin und er an dem Abend gesehen hatten, an dem Steve nie wieder aufwachte. Doch er fand nicht die richtigen Worte. Die Asche vermischte sich mit den Schneeflocken und verschwand.
    »Du hast das Richtige getan«, wiederholte der Arzt.
    »Wir«, sagte Frank. »Wir haben das Richtige getan.«
    »Natürlich. Wir haben es getan …«
    »Ich habe es nicht allein getan.«
    Doch genau das empfand Frank. Statt sich auserwählt und tapfer zu fühlen, fühlte er sich erbärmlich und einsam. Vielleicht glaubte sogar jemand, dass er seinen Kumpel gehen ließ, weil er gar nicht warten konnte, das Haus und die Tankstelle zu übernehmen? Bitte schön! Nehmt gern alles! Ich will es gar nicht haben! Er hätte dem Pfarrer diktieren können, was der am nächsten Sonntag predigen sollte, nämlich dass jemand die Bürden auf sich nehmen muss, damit andere davonkommen und nachts schlafen können. Frank war einer von denen, die die Bürden auf sich nahmen. Er nahm die leere Urne mit hinauf ins Haus und stellte sie auf den Küchentisch, neben Martins. Blenda folgte ihm mit dem Regenschirm auf Schritt und Tritt. Dann saßen sie da, Frank und Blenda, mit den leeren Urnen zwischen sich.
    »Was sollen wir mit dem Mist machen?«, fragte Frank.
    »Wenn du nicht hier wohnen willst, musst du es wohl verkaufen.«
    Fing sie jetzt auch noch an? Beim letzten Mal war es noch ein wir . Da waren wir es, die die Bruchbude aufräumen sollten. Aber das war wohl bevor ihr klar war, dass die Wände, die Decke und der Fußboden nicht mehr als ein geparkter Campingwagen wert waren, und wenn sie hier renovieren wollten, dann brauchten sie dafür mehr Geld, als sie zusammen besaßen und jemals bekommen würden. Jetzt war es nicht länger wir. Jetzt war es du .
    »Verkaufen? Dann werden die Leute denken, dass ich Steve nur abgeschaltet habe, um das Geld zu kriegen. Scheiße, nein.«
    »Lass die Leute doch glauben, was sie wollen, Frank. Es stimmt ja so oder so nicht.«
    »Außerdem wird niemand diesen Schrotthaufen kaufen wollen. Es würde mich wundern, wenn ich ihn jemals loswerden würde. Oh Scheiße.«
    »Jetzt bist du aber undankbar, Frank.«
    »Ich habe es nicht so gemeint. Ich habe nur gemeint, dass es auch für mich nicht so einfach ist.«
    Blenda kam um den Tisch herum und setzte sich auf seinen Schoß.
    »Ich weiß, Frank. Aber wir schaffen das schon. Wir werden es gemeinsam schaffen, nicht wahr?«
    Sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar und gab ihm einen Kuss in den Nacken. So saßen sie in der

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