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Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman

Titel: Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Frank sich auf die Stufe setzen. Der Sheriff war nicht dumm. Er konnte zwei und zwei zusammenrechnen. Frank sah ein, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Es würde noch einen Skandal geben. Vielleicht kämen die Reporter und Schnüffler zurück. Ihr Leben hier in Karmack würde auf den Kopf gestellt werden. Und das verträgt kein Leben. Frank stand wieder auf und schlug mit der Faust gegen den Seitenspiegel, dass der zerbrach und aussah wie ein eingerahmtes Spinnennetz. Endlich schaffte Arthur es, sich die Zigarette anzuzünden.
    »Hol dich der Teufel, Farrelli. Das meine ich ernst!«
    Frank schaute seine blutigen Finger an, und plötzlich überkam ihn eine Art von Ruhe. Er wusste nicht, woran es lag oder woher diese Ruhe kam. Aber es war, als wären die Teilchen an ihren Platz gerutscht. Er machte das nicht sich selbst zuliebe. Er machte das Steve zuliebe, und nicht nur ihm zuliebe, er machte es auch Blenda zuliebe. Und er hatte ihnen einen Dienst erwiesen, sowohl die Lebenden als auch die Toten standen jetzt in seiner Schuld. Wenn man alles zusammenzählte, konnte ganz Karmack ihm danken. Er machte es der Stadt zuliebe.
    »Was soll jetzt passieren?«, flüsterte Arthur. »Was?«
    »Pass gut auf«, sagte Frank.
    Er fand noch einen weiteren leeren Kanister in der Werkstatt, füllte ihn mit Benzin und legte ihn hinten in den Van. Sie setzten sich hinein, Bob Spencer zwischen sich. Dann fuhren sie mit ausgeschalteten Scheinwerfern hinaus zu Martin Millers Haus, das jetzt Frank Farrellis Eigentum war, ein Besitz, der nichts anderes als Mühe bedeutete. In der Kurve vor dem Fluss fiel Bob Spencer plötzlich nach vorn und schlug mit der Stirn gegen das Armaturenbrett. Blut schoss aus seinem Mund und ein Stück der Zunge fiel auf Franks Oberschenkel, es sah aus wie eine rote Schnecke. Frank schüttelte sie ab. Arthur wäre fast in den Graben gefahren, bekam das Auto aber doch wieder unter Kontrolle. Nur der Kadaver ließ sich nicht wieder ordentlich hinsetzen. Wenn sie jemand sah, was würde der glauben? Dass Bob Spencer schlief oder betrunken war? Wahrscheinlich Letzteres. Doch niemand sah sie, zumindest niemand, den sie sahen. Die rabenschwarze Stille nach Veronicas Beerdigung hielt an.
    »Damit kommen wir nie davon, Frank. Niemals.«
    »Hast du einen besseren Vorschlag?«
    »Und das jetzt, wo die Sachen sich langsam ordnen. Da muss so ein Mist passieren. So ein verdammter Mist! Hol dich der Teufel, Farrelli!«
    »Das hast du schon mal gesagt.«
    Sie näherten sich dem Haus. Schnee war in der Luft, nur gut, dann konnten ihre Spuren zugedeckt werden. Arthur hielt am Tor.
    »Ich glaube, da war Licht«, sagte er.
    »Wo?«
    »Im Fenster in der Mitte.«
    Eine Weile blieben sie sitzen und schauten zum Haus hinauf. Überall Dunkelheit.
    »Du hast dich geirrt«, sagte Frank.
    »Ja, hab ich wohl.«
    Bob Spencer ließ einen düsteren Laut vernehmen. Der tote Bob Spencer saß da, zitterte und bebte. Zuerst begriff Frank nicht, was es war. War Bob Spencer doch nicht tot? Doch dann dämmerte es ihm. Ein Gestank, schlimmer als Ammoniak, erfüllte das Wageninnere. Bob Spencer saß da und entleerte sich seiner Schlacke, so tot er auch war. Frank riss die Tür auf und taumelte hinaus, sog die kühle Dunkelheit in hektischen Atemzügen ein, und davon wurde ihm so schwindlig, dass er sich hinhocken musste, um nicht umzufallen. Arthur tat es ihm gleich. Es dauerte eine Weile, bevor sie wieder klar denken konnten. Frank holte eine Schubkarre aus dem Schuppen, und mit viel Müh und Ach gelang es ihnen, Bob Spencer hineinzuwuchten. Frank legte ihm den Benzinkanister zwischen die Beine. Schlimmer war es, ihn zum Haus hinaufzuschaffen. Arthur schob und Frank zog. Doch der Abhang war glatt und einige Male rutschten sie zurück und mussten von vorne anfangen. So machten sie unverdrossen weiter. Der Tod war schwer zu bewegen. Schließlich waren sie angekommen. Jetzt fehlten nur noch die drei ausgetretenen Stufen zur Veranda hoch. Arthur richtete sich plötzlich auf.
    »Ich glaube, ich habe was gehört, Frank.«
    Sie blieben still stehen und lauschten. Es gibt immer etwas zu hören, wenn du wirklich lauschst, ein Ast, der bricht, irgendein Tier, das da in der Dunkelheit lebt, der Wind, und nicht zuletzt das schwarze Wasser, das unter dem Eis dahinfließt und wie Donner klingt.
    »Du hast dich geirrt«, sagte Frank.
    »Ja, hab ich wohl.«
    »Da ist nichts. Nur der Fluss.«
    »Nur der Fluss, ja.«
    Sie schleppten Bob Spencer das letzte Stück hinauf

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