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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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hatte unter ihnen geschnauft und gequietscht, bis sie endlich, dicht aneinandergeschmiegt und mit Pizzateigkrümeln im Haar, ermattet unter einer noch älteren Wolldecke eingeschlafen waren.
    Der Morgen hatte Merle wieder klar sehen lassen. Sie wollte Claudio zum Frühstück einladen, um sich mit ihm auszusprechen, aber er hatte Arbeit vorgeschoben, war in seine Klamotten geschlüpft und wieder zur Tagesordnung übergegangen.
    Merle hatte sich verärgert ihr Fahrrad geschnappt und war ins Tierheim gefahren.
    Dort war der Teufel los.
    In Merles Abwesenheit waren ihnen zwei trächtige Katzen und vier Mutterkatzen mit ihren insgesamt fünfzehn Welpen gebracht worden. Da die Kapazität des Katzenhauses jedoch ausgelastet war, mussten sie nach Möglichkeiten suchen, einen Teil ihrer Tiere für eine Weile anderweitig unterzubringen.
    Merle hockte zwei Stunden am Telefon, um die einzelnen Pflegestellen abzuklappern und den Familien, die bereits alle mehrere Katzen bis zu ihrer Vermittlung betreuten, ein zusätzliches Tier ans Herz zu legen. Den Rest des Vormittags verbrachte sie damit, den Transport der Katzen zu planen.
    Sie war erleichtert, dass Frau Donkas heute lauter Geldbeschaffungstermine wahrnehmen musste. So konnte sie der fälligen Standpauke wegen ihres Spontantrips nach Hildesheim noch für eine Weile entgehen.
    Vom Bäcker um die Ecke hatte sie eine Runde Brötchen mitgebracht und wollte sich gerade mit den beiden Kolleginnen im Büro zum Mittagessen zusammensetzen, als ein Mann anrief, der eine verwundete Katze in seinem Garten gefunden hatte, an die er sich nicht herantraute.
    »Sie scheint sehr schwer verletzt zu sein«, sagte er. »Aber sobald ich mich ihr nähere, faucht sie und schlägt nach mir.«
    Seufzend machten die Kolleginnen sich mit der Katzenfalle auf den Weg.
    Merle hatte soeben ein Brötchen mit Käse belegt, als sie die Hunde anschlagen hörte. Es war das typische Bellen, mit dem sie auf fremde Besucher reagierten, hysterisch, laut – und aggressiv, um die eigene Angst zu überdecken.
    Aber das Tor sollte um diese Zeit eigentlich geschlossen sein.
    Merle erhob sich von ihrem Stuhl, ging zur Tür und schaute hinaus.
    Nichts.
    Das Bellen ebbte ab, dann war es wieder still.
    Vielleicht eine Ratte, dachte Merle. Diese Viecher konnten die Hunde ganz schön durcheinanderbringen.
    Sie setzte sich wieder an den Schreibtisch und biss in ihr Brötchen, doch der Appetit war ihr vergangen. Bevor sie sich nicht vergewissert hatte, dass da draußen wirklich alles in Ordnung war, würde sie keinen Bissen runterkriegen. Sie schob den Teller weg und stand auf.
    Die Hunde hatten sich beruhigt und begrüßten Merle freudig. Sie warf einen Blick in die Innenräume der Zwinger, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken. Nachdem sie ausgiebig mit ihrem Liebling geschmust hatte, einem überängstlichen spanischen Mischling, der von den anderen Hunden gemobbt wurde und deshalb allein in einem Zwinger untergebracht war, machte sie sich auf den Weg zum Katzenhaus.
    Weil sie bei jedem Schritt über die Schultern sah, entdeckte sie die aufgebrochene Tür mit der eingeschlagenen grünen Glasscheibe erst, als die Splitter unter ihrer Schuhsohle knirschten. Wer immer sich dort Einlass verschafft haben mochte, hatte sich mehr als sicher gefühlt, sonst hätte er es vorgezogen, durch eines der Fenster auf der Rückseite des Gebäudes einzusteigen.
    Er wollte sein Selbstbewusstsein demonstrieren, dachte Merle.
    Oder seinen Größenwahn.
    Die Angst um die Tiere ließ sie jede Vorsicht vergessen. Mit bebenden Fingern schob sie die Tür auf.
    Gleichzeitig mit dem Geruch des Bluts nahm sie die Wucht der Bilder wahr. Der Boden war in ein schreckliches Rot getaucht. Überall lagen Katzen hingestreckt. Sie hingen auf den blutverschmierten Kratzbäumen, lehnten an den rot bespritzten Wänden oder hatten sich zum Sterben in ihre Schlafkisten geschleppt.
    Keine von ihnen bewegte sich mehr.
    Es war absolut still.
    Im Freigehege dasselbe.
    Kalle. Röschen. Amanda. Sidney. Flo …
    Merle gab einen erstickten Laut von sich. Sie würgte und hielt sich die Hand vor den Mund. Die Füße versagten ihr den Dienst. Wie angewurzelt blieb sie auf der Türschwelle stehen.
    Dann riss sie sich zusammen. Sie zog das Telefon aus der Tasche und wählte wie ferngesteuert die 112.
    »Albert-Schweitzer-Tierheim«, meldete sie sich und hatte Mühe, die Worte verständlich auszusprechen, weil ihre Kiefer so verkrampft waren. »Bitte kommen Sie schnell.

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