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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Gewinsel nichts als Ekel in ihm.
    Kristof war gespannt, wie Alex sich verhalten würde.
    Oder Luke, wie er sich jetzt nannte.
    Er ging davon aus, dass Alex ein würdiger Gegner war. Er hoffte auf einen harten Kampf. Einen auf Leben und Tod.
    Daran, dass er selbst ihn gewinnen würde, hatte er keinen Zweifel. Er war der Jäger, Alex der Gejagte. Es war klar, auf wessen Seite der Vorteil lag.
    Als Kinder hatten sie im Wald oft Schnitzeljagden veranstaltet. Nachdem die Jungs aus der Nachbarschaft längst aufgegeben hatten, waren sie immer noch umhergestreift, Alex und er, abwechselnd Jäger und Gejagter, und es war vorgekommen, dass Leo nach Einbruch der Dunkelheit einen seiner Männer geschickt hatte, um sie nach Hause zu holen.
    Keiner von ihnen hatte aufgeben können.
    Sie waren einander so ähnlich gewesen. Der gemeine Verrat hatte ihre Symbiose mit einem brutalen Schnitt durchtrennt.
    Dafür wirst du jetzt endlich bezahlen, dachte Kristof, während er in seinem Wagen saß und die gegenüberliegende Straßenseite beobachtete. Er hatte ein Stück unterhalb des Hauses geparkt, in dem Alex wohnte. Die Jungs standen auf Abruf bereit, was Alex gegenüber unfair war, wie Kristof fand, aber so war das Leben.
    Sie waren keine Kinder mehr.
    »Wie wirst du dich entscheiden?«, murmelte Kristof, dabei wusste er ganz genau, wozu Alex sich entschließen würde.
    Er würde untertauchen. Zumindest würde er es versuchen.
    »Du wirst deine kleine Freundin aufgeben.«
    Die Jungs hatten so gut recherchiert, wie es in der kurzen Zeit möglich gewesen war.
    Jette Weingärtner, Tochter der Schriftstellerin Imke Thalheim, wohnhaft in Bröhl-Birkenweiler, seit vier Monaten mit Alex – Luke  – zusammen, arbeitet übergangsweise im St . Marien , einem Heim für Demenzkranke, fährt einen metallicgrünen Peugeot 206 CC , geriet vor zwei Jahren in die Schlagzeilen, als sie sich in einen Serienmörder verliebte, der auch ihre Freundin Carola Steiger, genannt Caro, getötet hatte, lebt in einer WG …
    Und so weiter und so weiter.
    Kristof hatte sich die Biografie einer jeden Person eingeprägt, die in irgendeiner Weise mit Alex in Verbindung stand. Gründlichkeit zahlte sich letztlich immer aus.
    »Oh ja, aufgeben wirst du sie. Und das nicht, um deine eigene Haut zu retten. Oh nein. Du wirst alles tun, um mich von dem Mädchen wegzulocken.«
    Kristof grinste. Es würde Alex ebenso wenig gelingen, wie es ihm gelingen würde, sich selbst in Sicherheit zu bringen.
    »Aber ich kann dich beruhigen«, murmelte er. »Deine Liebste ist noch nicht an der Reihe.«
    Schon nach neun und die Hitze war noch immer unerträglich. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und trank von dem Wasservorrat, den er bei sich hatte. Der Sommer hatte das Zeug dazu, ein Jahrhundertsommer zu werden. Schon jetzt hatte er alle Rekorde gebrochen.
    Kristof fühlte sich in seine Kindheit zurückversetzt. Viele Sommer waren mit ihrem Lieblingsspiel vergangen.
    »Lauf«, flüsterte er. »Lauf und versuch, dich vor mir zu verstecken.«
    Das Sommerspiel.
    »Ich werde dich fangen. Wie damals. Ganz genau so.«
    Sommerfänger .
    Das Wort gefiel ihm und er sprach es ein paar Mal leise aus.
    »Los, Alex«, flüsterte er. »Lass uns anfangen. Lauf!«
    *
    Ein Beobachter hätte Luke nicht angemerkt, wie sehr ihm die Panik zusetzte. Während er konzentriert das Nötigste in eine Reisetasche packte, tobte in ihm das Chaos. Vor Jahren hatte er gelernt, seine Gefühle zu kontrollieren, solange es notwendig war. Diese Fähigkeit hatte ihm schon einige Male das Leben gerettet.
    Und die Fähigkeit zu warten.
    Wäre er seinem ersten Impuls gefolgt, hätte er sofort die Flucht ergriffen. Das war der Fehler, den die meisten Menschen in einer solchen Lage begingen. Sie nahmen sich nicht die Zeit, zur Ruhe zu kommen, bevor sie handelten.
    Und liefen direkt in ihr Verderben.
    Allmählich ließ die schützende Wirkung des Schocks nach, und Luke war dem Ansturm seiner Gefühle ausgeliefert. Aber wenigstens war er jetzt wieder bei klarem Verstand, und das war unbedingt notwendig, denn auf nichts anderes konnte er sich verlassen.
    Er hatte sich in der Küche Alberts Blut vom Körper gewaschen und frische Sachen angezogen. Die blutgetränkten Kleidungsstücke und Schuhe und das Geschirrtuch, das er benutzt hatte, um sich zu säubern und anschließend aufzuwischen, hatte er, in einer Mülltüte verschlossen, in das Außenfach seiner Reisetasche gestopft, um sie später zu entsorgen. Er zurrte den

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