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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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wusste nicht, wie ich mit dem Chaos in mir zurande kommen sollte. Ich wusste nur eines: Luke hätte mich niemals freiwillig aufgegeben.
    *
    Bert betrat das Haus und war sich der nächtlichen Stille deutlich bewusst. Er war hundemüde und gleichzeitig überreizt. Seine Augen tränten vor Erschöpfung, und er hatte Sehnsucht nach einem Menschen, der ihn erwartet, ihm ein Glas Wein eingeschenkt und ihn gefragt hätte, wie sein Tag gewesen war.
    Doch Margot schlief schon. Sie hatte bereits vor langer Zeit damit aufgehört, nachts mit ihm aufzustehen, wenn er zu einem Tatort gerufen wurde, oder gar bis zu seiner Rückkehr wach zu bleiben.
    Was war mit ihnen passiert? Ihre Träume waren zerbrochen und ihre Hoffnungen zu Lügen verkommen. Irgendwann hatten sie einander in die Augen geschaut, ohne eine Regung darin zu entdecken, und waren dennoch zusammengeblieben, der Kinder wegen.
    Als Bert den Korken zog, ging ihm das Geräusch durch Mark und Bein. So hörte sich Einsamkeit an.
    Das erste Glas trank er im Stehen in der Küche und viel zu schnell. Mit dem zweiten setzte er sich ins Wohnzimmer. Das Licht der Lampe ließ den roten Wein erglühen. Bert widerstand dem Bedürfnis, den Fernseher anzumachen und sich noch eine Weile berieseln zu lassen. Er musste nachdenken.
    Knapp eine Million Menschen lebten in Köln und ausgerechnet Jette Weingärtner musste den Toten finden! Der Anblick des Mädchens hatte Erinnerungen in ihm angestoßen, die er mühsam zuzuschütten versucht hatte.
    Schmerzhaft klar sah er das Gesicht ihrer Mutter vor sich.
    Imke Thalheim.
    Ein Name, den er nie wieder hatte aussprechen wollen, der ihn aber verfolgte, wohin er auch ging. Er las ihn in Zeitschriften, auf Büchern und Plakaten, hörte ihn im Fernsehen und im Radio, er schien allgegenwärtig zu sein, denn gerade war ein neuer Roman der Schriftstellerin auf den Markt gekommen. Bert hatte sich geschworen, ihn nicht zu lesen, aber er ahnte bereits, dass er die Verweigerung nicht durchhalten würde. Erst kürzlich hatte er ihn in einer Buchhandlung schon in der Hand gehalten.
    Rasch nahm er einen Schluck Wein, um den Kloß im Hals loszuwerden. Er war mit einer Frau verheiratet, die er nicht mehr liebte, hatte sein Herz an eine Frau verloren, die einen andern liebte, und fand diesen andern auch noch ausgesprochen sympathisch. Tilo Baumgart war ein ausgezeichneter Psychologe, ein hochanständiger Mensch und hätte unter anderen Umständen vielleicht sogar ein Freund werden können.
    Bert gab sich einen Ruck, stellte das Glas auf dem Couchtisch ab und zog sich Notizbuch und Kugelschreiber heran. Er hatte es mit einem neuen Fall zu tun und der Tote hatte das Recht auf eine sorgfältige Ermittlung. Bert würde nicht wieder den Fehler machen, Privates und Berufliches zu vermischen.
    Er hatte sich vor ein paar Wochen nach Köln versetzen lassen, um wenigstens beruflich so etwas wie einen Neuanfang zu wagen. Es war ein Sprung ins kalte Wasser gewesen und hatte den Verlust von Vertrautheit bedeutet, die schmerzhafte Trennung von seinen Arbeitskollegen und eine Menge zusätzlichen Stress durch das tägliche Pendeln.
    Das Gefühl von Befreiung jedoch, das er sich erhofft hatte, war ausgeblieben. Die neue Lebensweise unterstrich eigentlich bloß seine innere Zerrissenheit.
    Seine Ehe hatte unter dem Wechsel noch mehr gelitten. Statt der früheren Kälte und Schweigsamkeit gab es nun ständige Auseinandersetzungen mit Margot. Sie konnte seine Entscheidung nicht verstehen und warf ihm vor, dadurch noch weniger Zeit für die Kinder zu haben.
    Dass es dringend nötig war, die Distanz zu Imke Thalheim zu vergrößern, hatte er ihr verschwiegen. Nicht um Margot zu schonen oder zu retten, was von ihrer Ehe noch übrig war, sondern um seine Kinder nicht zu verlieren.
    Er wagte nicht, sich auszumalen, zu was eine zurückgewiesene Margot fähig war.
    Bert klappte das Notizbuch auf und strich die Seiten glatt.
    Freitag, 30. Juli , schrieb er. Jette Weingärtner .
    Er hatte sich erst daran gewöhnen müssen, dass Jette einen anderen Nachnamen trug als ihre Mutter. Imke Thalheim hatte nach der Scheidung ihren Mädchennamen, unter dem sie immer schon geschrieben hatte, auch offiziell wieder angenommen. Diese Konsequenz hatte Bert vom ersten Moment an imponiert.
    Den Kugelschreiber zwischen den Fingern drehend, rekapitulierte er das Gespräch mit dem Mädchen.
    Jettes Angaben waren glaubwürdig. Sie war mit ihrem Freund Lukas Tadikken verabredet gewesen und hatte, nachdem der

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