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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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hinwegsteigen. Er reagierte überhaupt nicht, sondern schnarchte einfach weiter. Sein Frauchen absolvierte ohne erkennbare Begeisterung den Frühstücksdienst. Aus der kleinen Küche drang das Programm von WDR 4.
    Ein stechender Schmerz zuckte durch Lukes Kopf.
    Er war so allein wie lange nicht mehr.
    Jeder seiner Muskeln, jede Sehne, jeder Nerv war zum Zerreißen gespannt. Nichts entging seiner Aufmerksamkeit, nicht der Getränkelieferwagen, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite hielt, nicht der Bankertyp mit Aktenkoffer, der lachend einen anderen Bankertypen mit Aktenkoffer begrüßte, und nicht die junge Frau, die gleichzeitig rauchte, telefonierte und einen Kinderwagen schob.
    Wo zum Teufel steckst du, Kristof?
    Das Hotel befand sich im Randgebiet von Aachen. Luke kannte sich in dieser Stadt nicht aus. Er war ein einziges Mal hier gewesen, vor vier Wochen, als er einen Dauerparkplatz gemietet und einen Wagen dort abgestellt hatte. Im Kofferraum waren Klamotten, Geld, ein Laptop und mehrere Handys zum Wechseln verstaut.
    Luke hatte sich geschworen, nichts dem Zufall zu überlassen. Er hatte Stadt und Parkplatz alle drei Monate gewechselt. Leo hatte ihm beigebracht, wie man Spuren verwischt. Das kam ihm jetzt zugute.
    Ohne Eile beendete er sein Frühstück und orientierte sich. Das Hotel besaß einen Hinterausgang, der jedoch auf einen Hof hinausführte, den eine hohe Mauer umgab. In der hintersten Ecke war allerlei Gerümpel gestapelt – Kisten, Stühle, Lattenroste und ausrangierte Elektrogeräte.
    Luke schlenderte hinüber, wobei er sich mehrmals wachsam umschaute, und machte dann einen Satz auf die Kühltruhe, die ihm als Stufe zu einem überaus hässlichen, verwohnten und unter seinem Gewicht bedenklich schwankenden alten Vertiko diente. Von dort aus konnte er das hinter der Mauer liegende Grundstück überschauen, an das sich weites, unbebautes Land anschloss.
    Das verwilderte Grundstück war mit hüfthohem Unkraut bewachsen und gehörte zu einem offenbar unbewohnten Mehrfamilienhaus, das gerade renoviert zu werden schien. Bauschutt lag auf der kaputten Terrasse, eine Betonmischmaschine stand verloren im Gras, die Fensterscheiben waren gelb von Staub.
    Heute war Samstag. An Wochenenden arbeiteten Handwerker nicht, außer sie taten es schwarz. Glaubte Luke zumindest. Er horchte. Aus dem Haus drangen keine Arbeitsgeräusche. Es war einen Versuch wert.
    In den Häusern rechts und links vom Hotel waren hauptsächlich Büros untergebracht, das hatte Luke am Abend schon ausgekundschaftet.
    Auch dort passierte an Wochenenden wenig.
    Luke kniff die Augen zusammen und suchte das Gelände ab, so weit sein Blick reichte.
    Er entdeckte keine Menschenseele.
    Geschmeidig glitt er wieder auf den Boden und kehrte zum Hotel zurück, lässig, als hätte er sich bloß kurz die Beine vertreten. Dabei betrachtete er aufmerksam die Fenster. Keine der Gardinen bewegte sich, niemand schien ihn zu beobachten.
    Und selbst wenn – in ein paar Minuten wäre er auf und davon.
    Luke holte die fertig gepackte Reisetasche aus seinem Zimmer und lief rasch und geräuschlos die Treppe hinunter. Er wollte das Haus gerade wieder durch den Hinterausgang verlassen, als er eine Hotelangestellte auf dem Hof bemerkte, die mehrere zugebundene Müllbeutel in einen Container stopfte. Luke zog sich unter die Treppe zurück und wartete, bis die junge Frau wieder hinter einer der Türen verschwunden war.
    Blitzschnell überquerte er Sekunden später den Hof. Er kletterte auf das kipplige Vertiko, warf die Tasche über die Mauer, sprang hinterher und duckte sich ins Gras. Es war von der langen Hitze vergilbt und wimmelte nur so von summenden, wispernden Insekten. Luke rieb sich die Nase, blickte sich aufmerksam um und wartete.
    Als sich nichts rührte, klemmte er sich die Tasche unter den Arm und lief geduckt über das Grundstück. Es war am Ende durch einen Bauzaun von der Straße getrennt, der zum Glück so nachlässig montiert war, dass Luke problemlos eine Stelle fand, durch die er hinausschlüpfen konnte.
    Schwer atmend blieb er stehen und blickte sich um. Er befand sich am Ende einer unbefestigten kleinen Straße, hinter der das platte Land begann. Ein durchdringender Geruch nach Katzenpisse lag in der Luft. Die Erde am Wegrand war staubig und grau.
    Luke klopfte sich Unkrautsamen und knisternde Blätter von der Hose. Seine Haut juckte wie verrückt. Wahrscheinlich war er gegen irgendwas allergisch. Hier tanzten die Pollen ja nur so durch

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