Der Sommermörder
bisschen blass um die Nase, wahrscheinlich vom Anblick dessen, was sich auf meinem Teller türmte.
»Oh«, sagte sie. »Eine Scheibe Toast. Und Tee.«
Wir trugen unsere Tabletts in den sonnigen Garten am Rand des Parks hinaus. Das Café hatte gerade erst geöffnet, sodass wir die ersten Gäste waren. Ich suchte einen Ecktisch aus. Nachdem wir unsere Teller, Tassen und metallenen Teekannen abgeladen hatten, machte ich mich sofort über das Essen her. Als Erstes attackierte ich mein Spiegelei, indem ich in den Dotter hineinschnitt, der sich daraufhin auf dem ganzen Teller ausbreitete. Lynnes pikierter Blick ließ keinen Zweifel daran, wie sehr ihr meine Essgewohnheiten missfielen.
»Nicht so ganz Ihr Ding, was?«, meinte ich, nachdem ich mir den Mund mit einer Papierserviette abgewischt hatte.
»So früh am Tag kann ich noch nicht viel essen.« Sie nippte an ihrem Tee und biss ein winziges Stückchen von ihrem Toast ab.
Es war ein schöner Morgen. Zutrauliche Spatzen hüpften auf der Suche nach Brotkrumen um die Tischbeine.
Eichhörnchen jagten durch die Äste der großen Bäume, die von dem eigentlichen Park auf der anderen Seite der Mauer herüberragten. Ein paar Sekunden lang stellte ich mir vor, ohne Lynne hier zu sitzen.
»Möchten Sie, dass ich mich an einen anderen Tisch setze, wenn Ihre Freundin kommt?«, fragte Lynne.
»Nicht nötig«, antwortete ich. »Sie kennen sie.«
»Was?«, fragte sie verblüfft.
Ich genoss es, sie noch ein wenig auf die Folter zu spannen. Das war wahrscheinlich der Zauberer in mir. »Es ist Grace Schilling.«
Mit einem Gefühl von Triumph schob ich mir ein Stück Speck in den Mund, an dem ein Stückchen gegrillte Tomate klebte.
»Aber …«, stammelte Lynne.
»Hm?« Mehr brachte ich nicht heraus, weil ich den Mund so voll hatte.
»Wer – wer hat das Treffen arrangiert?«
»Ich.«
»Aber … weiß DCI Links Bescheid?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Möglich, dass Dr.
Schilling ihn informiert hat. Das ist nicht mein Problem.«
»Aber …«
»Da ist sie ja schon.«
Dr. Schilling betrat gerade das Café. Inzwischen waren mehrere Tische besetzt – Leute mit Kindern, Paare, die ihre Sonntagszeitung lasen –, sodass sie uns nicht gleich entdeckte. Sie war wie immer schick gekleidet, wenn auch vielleicht einen Tick lässiger als während der Woche. Zu einer dunkelblauen Hose, die ihr nur bis zu den Knöcheln reichte, trug sie einen schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt. Und eine Sonnenbrille. Schließlich sah sie uns und kam näher. Sie nahm die Brille ab und legte sie zusammen mit einem Schlüsselbund und – wie ich interessiert feststellte – einer Schachtel Zigaretten auf den Tisch. Einen Moment lang musterte sie uns aufmerksam.
Ihre Miene wirkte wie immer ziemlich cool.
»Möchten Sie auch frühstücken?«, fragte ich.
»Ich bin eigentlich nicht so der Frühstückstyp.«
»Sie stehen wohl eher auf Kaffee und Zigaretten?«
»Mehr schaffe ich meist nicht.«
Ich warf einen Blick zu Lynne hinüber, die noch immer ziemlich entgeistert dreinblickte.
»Wären Sie so nett, Dr. Schilling eine Tasse Kaffee zu holen?«, bat ich sie.
Lynne zog ab.
»Manchmal kommt es mir fast so vor, als hätte ich jetzt eine persönliche Assistentin«, meinte ich lächelnd. »Kein schlechtes Gefühl. Haben Sie mit Links gesprochen?«
Sie zündete sich eine Zigarette an. »Ich habe ihm gesagt, dass Sie mich um ein Gespräch gebeten haben.«
»War er einverstanden?«
»Er war überrascht.«
Ich tunkte den Rest des Eidotters mit meinem Toast auf.
»Können Sie ein Geheimnis für sich behalten?«, fragte ich.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich habe die Akten eingesehen«, erklärte ich. »Na ja, zumindest einen Teil davon. Ich bin dabei nicht ganz den offiziellen Weg gegangen, deshalb wäre es mir lieber, Sie würden nicht darüber reden.«
Wie nicht anders zu erwarten, starrte sie mich verblüfft an. Ich gewöhnte mich allmählich an diesen Blick. Sie nahm einen tiefen Zug an ihrer Zigarette und wechselte die Sitzposition. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich in ihrer Haut nicht besonders wohl fühlte und vielleicht glaubte, die Kontrolle verloren zu haben? Ich hoffte es.
»Warum haben Sie es mir dann gesagt?«
»Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen. Ich weiß, dass Sie mich bisher ganz schön belogen haben.« Sie hob abrupt den Kopf und öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, ließ es dann aber doch bleiben. »Aber das spielt keine Rolle«, fuhr ich fort.
»Das interessiert
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