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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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spürte ich etwas Warmes, Feuchtes zwischen meinen Beinen. Ich machte in die Hose. Das Geräusch, mit dem mein Urin auf die Bodendielen plätscherte, erinnerte mich daran, wie damals mein Fruchtwasser abgegangen war.
    Ein guter Gedanke. Christo war fort, bei meinen Eltern.
    Josh und Harry waren weit, weit weg. Das war gut.
    Er verzog angewidert das Gesicht. »Nun sieh mal, was du gemacht hast«, sagte er. »Dabei hast du noch alle deine Sachen an!«
    Das war das Letzte, was ich je sehen würde. Sein Gesicht. Ich hätte so gern nach dem Grund gefragt, aber das konnte ich nun nicht mehr.
    »Das mit dem Taxi ist schade«, sagte er. »Ich dachte, ich hätte viel Zeit. Ich wollte mir ganz viel Zeit lassen, dir meine Liebe zu zeigen, aber jetzt muss ich mich beeilen.«
    Er zog die Schnur noch etwas enger und hielt sie dann mit einer Hand fest. Mit der anderen fasste er nach unten und holte etwas aus seiner Tasche. Eine Klinge.
    »Ich liebe dich, Jenny.«
    Ich wünschte mir nur noch Schwärze, Bewusstlosigkeit.
    Aber es ging nicht. Ich konnte nicht.

    DRITTER TEIL
    NADIA

    1. KAPITEL
    ch war in Eile. Na ja, eigentlich war ich überhaupt nicht in E
    I
    ile, aber ich hoffte, mich selbst zu überlisten, indem ich mir ein bisschen Eile vorgaukelte. Vielleicht würde ich es auf diese Weise endlich schaffen, meinen Papierkram zu erledigen. Mit ein bisschen Glück würde ich meinen Irrtum zu spät bemerken und hätte mein Leben wieder im Griff.
    Ich kramte einen alten Baumwollrock unter meinem Bett hervor und schlüpfte hinein. Darüber zog ich ein schwarzes, ärmelloses T-Shirt, das lang genug war, um den Schokofleck am Rockbund zu verdecken.
    Wahrscheinlich hatte mich ein Kind mit einem Marsriegel oder etwas Ähnlichem gestreift. Ich betrachtete mich im Spiegel. Mein Haar sah aus wie ein Vogelnest, und auf der Wange hatte ich noch einen Fleck Kinderschminke.
    Kaffee. Eine gute Idee, um in die Gänge zu kommen. Ich suchte mir eine Tasse und spülte sie im Bad aus. Den Wasserkessel musste ich ebenfalls im Bad füllen, weil das Spülbecken in der Küche von einem Stapel verkrusteter Teller und Pfannen blockiert war. Wenn ich meine Steuererklärung fertig hatte, würde ich abspülen. Auch eine gute Idee. Mit diesem widerlichen, unhygienischen Berg aus dreckigem Geschirr würde ich mich selbst erpressen, mein Leben wieder in Ordnung zu bringen.
    Bewaffnet mit Kaffee und einem halben Schokoriegel setzte ich mich an den Schreibtisch. In Zukunft würde ich zum Frühstück Müsli und aufgeschnippeltes frisches Obst essen. Vier Portionen Gemüse und sechs Portionen Obst sollte man am Tag zu sich nehmen. Wurde Schokolade nicht aus irgendwelchen Bohnen gemacht?

    Am besten, ich brachte es schnell hinter mich. Auf der Tastatur meines Computers lag die letzte Aufforderung des Finanzamts. Sie war mir schon vor Wochen zugeschickt worden, aber ich hatte sie zu all meinen anderen ungeöffneten Briefen in die Schublade gelegt und versucht, jeden Gedanken daran zu verdrängen.
    Max hat immer gesagt, ich gehörte eigentlich in therapeutische Behandlung, allein schon wegen meiner Unfähigkeit, meine Post zu öffnen. Manchmal schaue ich sie wochenlang nicht an. Ich weiß selbst nicht, warum. Mit ist natürlich klar, dass ich mich damit in Schwierigkeiten bringe. Außerdem handelt es sich dabei keineswegs nur um unangenehme Dinge wie Rechnungen und Mahnschreiben wegen nicht rechtzeitig zurückgegebener Bibliotheksbücher. In den ungeöffneten Umschlägen stecken auch Schecks, Briefe von Freundinnen oder Jobangebote, die ich im Moment wirklich brauchen könnte. Später, sage ich mir dann. Das mache ich später.
    Wenn die Schublade ganz voll ist.
    Nun war es so weit. Nachdem ich eine Schachtel Kekse und einen Strohhut vom Bett gefegt hatte, ließ ich mich darauf nieder, schaltete den Computer an und sah zu, wie der Bildschirm grün aufleuchtete. Ich klickte mit der Maus erst auf »Buchführung«, dann auf »Ausgaben«. Gut. Sehr gut. Ich arbeitete eine Stunde lang. Ich wühlte mich durch das Chaos auf dem Schreibtisch, hinter dem Schreibtisch, in meinen Jackentaschen. Ich öffnete Umschläge und strich zusammengeknüllte Rechnungen glatt. Mein Leben nahm langsam Gestalt an. Ich beschloss, sicherheitshalber alles auszudrucken. Auf dem Bildschirm erschien ein kleines Fenster: Fehlertyp 18. Was hieß das? Ich klickte noch einmal, aber der Curser bewegte sich nicht. Nichts rührte sich mehr, das ganze Bild war eingefroren. Ich versuchte es über die

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