Der Sommernachtsball
M’dam, könnte man sagen. Wir dagegen hatten dieses schlimme Wetter, dann noch dieser grässliche Mann und dieses Frauenzimmer und der Hund vom Doktor und die Kuchen …«
In der Küche machte sich Ernüchterung breit. Mrs Wither murmelte, ja, das sei alles höchst misslich gewesen, und zog sich zurück.
Viola war glücklicher als je zuvor in ihrem Leben, als die Familie am Samstag über die schmale, gewundene Landstraße nach Grassmere fuhr. Ihre Gefühle, die Blumen und Bäume, die Sonne hoch am blauen Himmel, alles schien langsam zu wachsen, größer zu werden, einem Höhepunkt zuzustreben. Das ganze Leben schwoll an, wie Musik, wie eine Welle, bevor sie bricht. Das Schöne, das Herrliche – es konnte jetzt jeden Moment passieren. Viola dachte nicht über ihre Gefühle nach, sie saß nur da, mit halb geschlossenen Lidern und leicht geöffneten Lippen, versunken in der Seligkeit des Augenblicks. Rosa Heckenröschen streckten ihre staubigen Köpfchen aus den ebenso staubigen Hecken, von der Straße stieg flimmernd die Sommerhitze auf und wurde von den dunkelgrünen Ulmen zurückgeworfen. Ein herrlicher Tag, und ebenso herrlich fühlte sich Viola, die vor Glück triumphierte.
Alle riefen »Ah!« und »Oh!«, als Grassmere in Sicht kam, denn die Bäume waren mit roten und weißen Bändern geschmückt, und über dem Eingangstor prangte eine rot-weiße Markise. Vom Haus driftete Musik herüber, und man konnte zwischen dem Grün Leute in leichten Sommerkleidern hin- und herschlendern sehen.
»Erstaunlich! Muss den jungen Spring ja ’ne hübsche Stange Geld gekostet haben«, bemerkte Mr Wither nicht ohne Bewunderung dafür, wie jemand für ein so von den Launen des Zufalls abhängiges Unternehmen wie eine Gartenparty eine »hübsche Stange Geld« ausgeben konnte.
Mr Wither irrte sich. Victor überließ nichts dem Zufall. Wenn er merkte, dass Gott seine Pläne durchkreuzen wollte, dann änderte er sie, bevor Gott Zeit zum Handeln hatte. Wäre er nicht sicher gewesen, dass das Wetter am Tag seiner Gartenparty schön sein würde, er hätte einfach alles in letzter Minute umorganisiert und ebenso prächtig drinnen gefeiert.
Saxon lächelte Tina zu und fuhr wieder zurück, um auch die drei Hausmädchen von The Eagles abzuholen. Die Withers traten durchs Eingangstor.
Es war eine viel größere Party, als sie erwartet hatten. Mindestens hundert Leute schlenderten im Garten umher, spielten Tennis, lauschten dem Streichquartett, räkelten sich auf Liegestühlen und in Hollywoodschaukeln oder traten mit einem kühlen Getränk in der Hand auf die Terrasse und riefen: »Was für eine Hitze! Einfach ideal für eine Gartenparty! Vic hat einfach immer Glück.« Die Musik ging fast im Gelächter und Lärm der Stimmen unter. Ein stetiger Strom von weiß bejackten Kellnern war zwischen Haus und Garten unterwegs, um die Gäste mit Speis und Trank zu versorgen. Tabletts, vollbeladen mit den herrlichsten Häppchen, wurden ihnen von dem beflissenen Personal unter die Nase gehalten: »Bitte, Sir. Gewiss, Sir. Sehr wohl, Sir. Verzeihung. Pardon, Sir. Pardon, Madam … Pardon …«
Die Withers waren ziemlich verunsichert. Weit und breit kein Mensch zu sehen, den sie kannten; Gastgeber und Gastgeberin waren nirgends aufzutreiben, und sie hätten auch gar nicht gewusst, wo sie sie hätten suchen sollen. Die Party war so viel größer und verschwenderischer, als sie es sich vorgestellt hatten, dass sie fast unter Schock standen. Fast, als würde man sich in einem Alptraum plötzlich auf einer königlichen Gartenparty wiederfinden.
Aber nachdem jeder einen schattigen Liegestuhl gefunden hatte und von den Kellnern mit Tee und Häppchen versorgt worden war, nachdem sie doch ein, zwei Bekannte erblickt hatten, begannen sie sich wohler zu fühlen. Zufrieden beobachteten sie von ihrer schattigen Warte unter einem rosaroten Sonnenschirm das Treiben und empfanden keinerlei Notwendigkeit, sich unter die anderen Gäste zu mischen. Mrs Wither bemerkte zwar irgendwann, man müsse jetzt wirklich mal die Gastgeber suchen gehen, aber es war so heiß, dass sich keiner vom Platz rühren wollte.
Immer noch trafen Gäste ein, außerordentlich schicke Gäste, wahrscheinlich aus London oder aus Stanton, wo die Springs viele Freunde hatten. Viola studierte zufrieden und ohne jeden Neid die Kleider der Frauen und ihre Gesichter, um Prominente zu entdecken. Sie war von Victor geküsst worden, also gab es keinen Grund zur Eifersucht. Das hätte er nicht getan,
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