Der Sommernachtsball
eingeladen worden, die Betti und ihr Mann gaben. Jetzt gingen die Cakers recht oft zu den Baumers, und deren Jungs schauten Saxon begeistert über die Schulter, wenn der in der Garage herumwerkelte. Jawohl, Saxon habe eine neue Anstellung gefunden, er und Tina wohnten jetzt in einem Hinterhof, über der Garage, aber es wäre bequemer für sie, wenn sie die Briefe bitte an die Adresse der Baumers schicken würden. Warum, sagten sie nicht.
Tinas Briefe, die auch im Laufe des Winters regelmäßig eintrafen, drückten Zuversicht, ja sogar Fröhlichkeit aus. Gelegentlich wurden sie von einem bekannten Namen gewürzt, denn die Baumers kannten viele zumindest halbwegs prominente Persönlichkeiten der Londoner Gesellschaft. Ihre Partys waren sehr gefragt, selbst in einer so partynärrischen Zeit wie dieser. Tina und Saxon gingen oft und gern zu den Partys der Baumers. Etwas Farbe von diesem ungewöhnlichen, aber interessanten und befriedigenden Leben geriet natürlich auch in Tinas Briefe, und das Leben auf The Eagles wirkte im Vergleich dazu noch öder und langweiliger, als es in einem trüben Winter auf dem Lande ohnehin schon war.
Maler und Schriftsteller, Juden und Hinterhöfe; all das klang in den Ohren von Mr und Mrs Wither und von Madge höchst ungehörig. Viola jedoch glaubte nur die Hälfte von dem, was sie da hörte. Sie war nach einigem Grübeln und Nachdenken zu dem Schluss gekommen, dass die Sache mit Adrian Lacey eine Finte gewesen sein musste, damit Tina mit Saxon zusammen sein konnte. Viola wollte in Zukunft vorsichtiger sein, wenn es um Tinas »alte Schulfreundinnen« ging.
Mrs Wither fand, dass Tina nicht die Strafe bekam, die sie verdiente. Unverschämter, undankbarer Saxon, undankbare, abartige Tina! Mrs Wither musste an das Gedicht vom grünen Lorbeerbaum denken. Trotzdem, sie konnte nicht anders, sie wünschte, sie hätte Tinas neues Zuhause mal sehen können. Ihr erstes eigenes Nest! Selbst wenn es in einem Hinterhof lag, über einer Garage. Es hörte sich alles so nett und malerisch an; Tina hatte die Haustüre himmelblau gestrichen! Wie gern Mrs Wither mal nach London gefahren wäre, »zu meiner verheirateten Tochter« (selbst wenn diese Tochter mit einem Chauffeur verheiratet war), und Tina beim Aussuchen von Stoffen und Geschirr geholfen hätte! Aber Mr Wither regte sich schon bei der kleinsten Andeutung derart auf, dass Mrs Wither sich nichts mehr zu sagen traute.
Wirklich zu schade, dass ihre Kinder immer die unmöglichsten Leute heiraten mussten, und das auch noch auf so hinterhältige, überstürzte Weise. Fast, als wären sie von ihren Gefühlen einfach überrollt worden, dachte Mrs Wither. Warum konnten sie nicht ordentlich und normal heiraten, mit einer anständigen, netten Verlobungszeit, damit man auch der Verwandtschaft in Jamaica noch rechtzeitig schreiben konnte? Und Mrs Wither schluchzte über Tinas letztem Brief ein wenig in ihr Taschentuch.
Selbst die Springs in London erfuhren davon, etwa fünf Wochen nach dem Skandal, und zwar durch Bill Courtney (man erinnere sich, dass Bill in Phyllis verliebt war und sie nach dem Hospiz-Ball heimgefahren hatte), der seine Angebetete zu seinem Entzücken zufällig auf einer Cocktailparty traf. Phyllis reichte die Neuigkeiten amüsiert an die Springs weiter. Mrs Spring konnte keinem Vorwürfe machen, der aus einem Haus davonlief, in dem solche Partys stattfanden wie die im Sommer, selbst wenn’s mit einem Chauffeur war, obwohl sie sich schon fragte, wovon um Himmels willen die Armen leben wollten, das Mädel hatte ja kein eigenes Geld, oder? Victor lachte. Allerdings kam ihm mitten im Lachen der Gedanke, dass hier wenigstens einer den Mumm gehabt hatte sich aus einer Situation zu befreien, die zunehmend unerträglich geworden war. Dann fragte er sich, wie’s der kleinen Viola wohl gehen mochte. Sicher hatte sie inzwischen einen neuen – die würde bestimmt nicht hausieren gehen müssen, dachte Victor, als ob es in Sible Pelden nur so von neuen Kandidaten wimmelte. Den Verdruss, der dabei in ihm aufkeimte, verdrängte er energisch und fuhr dann, zum dritten Mal in dieser Woche, mit Phyllis zum Tanzen.
Hetty fand, dass jemand, der in einem solchen Nest von Neurotikern wie The Eagles aufgewachsen war, einen raffinierteren Abgang hätte machen können, als mit einem gut aussehenden Tölpel durchzubrennen, und war dementsprechend enttäuscht von Tina.
Was Tina und Saxon selbst betraf, die führten derweil ein zwar seltsames, aber glückliches
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