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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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funkelnd in der tief stehenden Sonne, und verschwand in einer Blumenrabatte.
    »Danke«, sagte Victor, »jetzt geht’s uns beiden besser. Du warst nicht die Einzige, die angeödet war, da küsse ich ja noch lieber meine Tippse. Und jetzt verschwinde endlich und lass mich das hier in Ruhe mit meiner Familie besprechen.«
    Sie ging und knallte die Tür hinter sich zu. Doch schon eine Sekunde später riss sie sie wieder auf und sagte:
    »Edna, ich kann hier nicht länger bleiben, das verstehst du sicher. Ich rufe morgen an. Kannst du mir meine Sachen nachschicken?«
    Die Tür knallte wieder zu.
    »Na, die ist mir ja eine, diese Phyl«, bemerkte Mrs Spring, »aber ich hab schon immer vermutet, dass sie ein fürchterliches Temperament hat. Willst du ihr nicht nachgehen, Victor? Du könntest sie noch erwischen, sie ist sicher rausgegangen, um ihren Wagen zu holen.«
    »Ich meine es ernst. Du hast gehört, was ich gesagt habe.«
    »Nun ja, da bist du ja noch mal mit einem blauen Auge davongekommen, Vic«, sagte seine Mutter. »Glück gehabt, wenn du mich fragst. Ach du meine Güte … Jetzt müssen all die Einladungen abgesagt werden, die Geschenke zurückgegeben und die Wohnung und all das – Vic – wo gehst du hin – bitte geh nicht, Lieber, wir müssen Hetty doch erst noch diese verrückte Idee ausreden (die Mädchen scheinen in letzter Zeit alle verrücktzuspielen!). Sie wird nicht gehen, natürlich nicht, und dabei bleibt’s.«
    »O doch«, sagte Hetty ruhig, »bitte, Tante Edna, lass uns nicht mehr streiten, das reicht für einen Abend, findest du nicht? Entschuldige, wenn ich vorhin unhöflich war, aber es bedeutet mir so viel. Du kannst sagen was du willst, mein Entschluss steht fest, aber ich hasse Streit, also bitte, streiten wir uns nicht mehr. Lass es dir einfach mal kurz in Ruhe durch den Kopf gehen. Vic! Findest du nicht auch, dass das das Vernünftigste wäre? Oder siehst du einen Grund, warum ich nicht gehen sollte?«
    »Von mir aus, geh ruhig«, sagte er zornig. Er hatte sich in einen Sessel fallen lassen und starrte mürrisch auf seine glänzenden Abendschuhe. »Du bist meiner Meinung nach eine Närrin, aber wenn du unbedingt willst … Ich werde nächste Woche mal dort vorbeischauen und sehen, ob es nicht gar zu unmöglich ist. Wann willst du weg?«
    »Ach, am liebsten so bald wie möglich!«
    »Na gut.« Er erhob sich und ging mit schleppenden Schritten zur Tür. »Dann schreib ihnen oder was ihr sonst ausgemacht habt, und ich werde dafür sorgen, dass dir dein Geld ganz überschrieben wird.«
    »Aber Victor, du lässt das Kind doch nicht so einfach gehen? Ohne Diskussion?«, rief Mrs Spring. »Hetty – entschuldige, dass ich so gereizt war – aber, bitte, überleg es dir noch mal, Liebes. Wir wollten doch sowieso nach London ziehen und – ach du liebe Güte, daraus wird ja jetzt wohl nichts mehr … was für ein Durcheinander … was für ein Kuddelmuddel … aber weißt du wirklich, was auf dich zukommt? Dein Leben würde sich radikal ändern. Du hast es hier immer sehr gut gehabt und auf nichts verzichten müssen; es ist gar nicht so leicht, ohne den Komfort auszukommen, mit dem man aufgewachsen ist.«
    »Ich habe mein Leben lang auf die Dinge verzichten müssen, die ich wirklich wollte, Tante Edna. Ich glaube kaum, dass es genauso lange dauern wird, bis ich mich an den Verlust von ein paar Bequemlichkeiten gewöhnt habe.«
    »Sag’s ruhig, wenn du uns satthast«, bemerkte Victor im Gehen, »nimm kein Blatt vor den Mund, egal auf wie viele Hühneraugen du dabei trittst.«
    Er knallte die Tür hinter sich zu.
    Mrs Spring und Hetty blieben in der erschöpften Stille zurück, die einem Familienkrach gewöhnlich folgt. Ihre persönlichen Differenzen angesichts der Krise einen Moment vergessend schauten sie sich an, Mrs Spring kopfschüttelnd und mit zusammengepressten Lippen, Hetty mit hochgezogenen Augenbrauen, den Mund leicht verzogen.
    »Na, ich bin jedenfalls froh, dass er da noch mal rausgekommen ist«, begann Mrs Spring, »aber du hast sie ja nie gemocht, oder?«
    Mit dieser Untertreibung des Jahres stürzten sie sich in den schönsten Phyllis-Verriss. Denn auch Hetty konnte vom Leder ziehen, wenn sie zufrieden war und ihren Willen durchgesetzt hatte. In der nächsten halben Stunde nahmen sie Phyllis so genüsslich auseinander, dass sie gar nicht mitbekamen, wie sie in ihrem Wagen Richtung London davonbrauste, auch nicht, wie Victor in der Diele telefonierte.
    Stirnrunzelnd stand er im

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