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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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sonntags in einem zweirädrigen Pony-Gig zum Kirchgang vorgefahren, im weißen Kleid mit Strohhut und Blümchen drauf. Kann man sich heute kaum noch vorstellen. Jedenfalls ist es mit ihnen seitdem ziemlich bergab gegangen.«
    »Du magst Saxon wohl nicht, oder?«
    »Mein liebes Kind, er ist doch nur der Chauffeur!«, antwortete Tina darauf mit derart jäher Arroganz, dass Viola erstaunt aufblickte. »Was das Personal betrifft, so spielt es keine Rolle, ob man es ›mag‹ oder nicht. Um ehrlich zu sein, er tut mir leid. Er hat’s nie leicht gehabt im Leben, und in einem kleinen Dorf wie diesem wird nichts vergeben und vergessen, schon gar nicht ein schöner Familienskandal. Ich glaube, er nimmt sich das mehr zu Herzen als andere Jungen an seiner Stelle. Oder auch nicht, ich weiß nicht. Auf jeden Fall ist er mittlerweile ein ziemlich guter Chauffeur. Vater braucht ihm nicht viel zu zahlen, und so hat jeder, was er will. Wie wär’s mit einem kleinen Spaziergang, vor dem Tee?«
    Heute wurde zum Tee Besuch erwartet: Mr Spurrey, ein alter Freund von Mr Wither.
    Mr Wither beehrte so wenige Menschen mit seiner Freundschaft, dass um die, die er damit beehrte, ein großer Wirbel veranstaltet wurde. Man hätte meinen können, der Dalai Lama hätte sich angekündigt. Vor einigen Tagen hatte Mr Wither aus einem erhaltenen Brief vorgelesen, dass sein alter Freund Gideon Spurrey in der Gegend weile und die Withers am kommenden Freitagnachmittag mit seinem Besuch beehren würde. Seither herrschte eine feierliche Erregung auf The Eagles. Die Köchin wurde angewiesen, Mr Spurreys Lieblingssandwich und -kuchen zuzubereiten. Saxon wurde befohlen, Mr Spurrey mit dem Wagen von dem Haus abzuholen, in dem er weilte. Mr Wither machte das Weibsvolk darauf aufmerksam, dass der Tee um Punkt Viertel nach vier serviert werden würde, keine Minute früher, keine Minute später. Tina und Viola sollten sich rechtzeitig frisieren (beziehungsweise das tun, was immer die Ursache für ihre häufigen Verspätungen war), Madge musste ihr Tennis oder Golf oder was auch immer rechtzeitig beenden, und Mrs Wither musste auf ihr Mittagsschläfchen verzichten. Wie auch immer: um Punkt vier Uhr mussten sich die vier Frauen und Mr Wither im Salon eingefunden haben, um Mr Spurrey in Empfang zu nehmen.
    Als Tina um drei viertel drei noch einen Spaziergang machen wollte, sagte Viola:
    »Aber was ist mit Mr Spurrey? Werden wir nicht zu spät kommen?«
    »Ach, Himmel noch mal! Wir gehen doch bloß ein Stück, natürlich reicht die Zeit noch. Was wirst du tragen?«
    »Was ich anhabe.«
    »Ich auch, ich habe mich absichtlich gleich nach dem Lunch umgezogen. Also komm schon, ich brauche unbedingt frische Luft.«
    Viola war diese Frischluftanfälle von Tina mittlerweile gewöhnt. Sie brauten sich zusammen wie ein Taifun auf einer ruhigen See und entstammten hungrigen Tiefen. Gehorsam schlüpfte sie in ein Paar saubere weiße Handschuhe. (Ohne ihr zu verraten, auf welche Autorität sie sich berief, hatte Shirley ihr eingeschärft, dass es immer noch besser sei, ohne Hut, aber mit Handschuhen auszugehen, als umgekehrt.) So machten sie sich auf den Weg, nur für ein Stündchen, wie sie sich vornahmen.
    Die Spritzigkeit und Frische des Frühlings, die Tatsache, dass jede der beiden ein hübsches neues Kleid trug, und die Aussicht auf einen kleinen Spaziergang im grünen Schatten des Wäldchens, bevor sie sich der Quälerei des Besuchs von Mr Spurrey unterzogen, machte sie fröhlich, ja übermütig. Außerdem würde man sich über Mr Spurrey lustig machen können, wenn er wieder weg war. Beide kicherten schon mal im Voraus. Laut redend und mit den Armen schwingend, gelegentlich ein Steinchen oder einen Ast wegtretend schlenderten sie die Straße entlang, pflückten hier eine Glockenblume, dort ein junges Blatt. Man kam überein, dass die Zeit locker reichte, um bis zu der kleinen Siedlung an der Kreuzung zu gehen und dann auf dem Rückweg die andere Straße zu nehmen, die sie lange nicht mehr benutzt hatten.
    Die Zeit verging so angenehm, dass sie gar nicht merkten, wie sich am Himmel dunkle Wolken zusammenbrauten. Sie waren gut eine Meile weit von The Eagles entfernt, als sie plötzlich in gemütlich-warnendem Ton angerufen wurden:
    »Wird jleich reechnen, ihr Süßen, werdet janz schön nass, in euren hübschen Kleidchen.«
    Überrascht blickten sie auf. Der Einsiedler stand auf einem Kaninchenbau am Waldrand und schaute anerkennend auf sie herab. Der Einsiedler liebte

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