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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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winken; außerdem fuhr das Auto gar nicht in ihre Richtung. Tina, die wusste, wem es gehörte, hielt es für zwecklos, ja verrückt, zu winken, und der Einsiedler war plötzlich verschwunden. Automatisch wandten sie die Köpfe, um dem verschwindenden Ungetüm nachzublicken. Zu ihrer Überraschung bremste es und stieß rasch und geschmeidig zu ihnen zurück. Ein elegantes Hütchen, das seiner Trägerin überhaupt nicht stand, wurde aus dem heruntergekurbelten Beifahrerfenster gestreckt.
    »Hallo! Dürfen wir Sie ein Stück mitnehmen?«
    »Ach, das ist schrecklich nett von Ihnen«, rief Tina und kam unter dem unzureichenden Baumdach hervor auf die Straße gelaufen, »aber wir müssen leider in die andere Richtung. Zurück in Richtung Chesterbourne.«
    »Och, das macht nichts, wir können ja umdrehen«, sagte Miss Franklin von Grassmere selbstbewusst. An die Person gewandt, die am Steuer saß, den Oberkörper zur Seite gedreht, den Arm lässig übers Lenkrad geschwungen, sagte sie: »Nicht wahr, Victor?«
    »Selbstverständlich«, antwortete Victor Spring und lächelte höflich.
    Aber es war klar, dass er keine Lust hatte, den Wagen zu wenden.
    »Aber … wir möchten nicht … wir können doch nicht …«, stammelte Tina. »Das ist furchtbar nett von Ihnen …« Wie ihr Haar, wie sie aussehen musste! Wie eine nasse Ratte. Und Violas Schuhe sahen in diesem durchweichten Zustand noch billiger aus. Im starken Kontrast dazu stand der wundervolle Wagen und die Eleganz seiner Insassen und, am allerschlimmsten, ein funkelndes Augenpaar, das sie kühl und verächtlich vom Rücksitz aus musterte.
    »Steigen Sie ein«, befahl Victor mit einem Anflug von Ungeduld und fletschte lächelnd schneeweiße Zähne, »Sie werden ja ganz nass.«
    Gehorsam kletterten sie auf den Rücksitz, peinlich bemüht, nicht auf die bereits darin Sitzende zu tropfen. Der Platz war beengt, da sich im Fußraum ein paar teure Koffer stapelten. Die dritte Passagierin war etwa fünfundzwanzig und trug einen umwerfend schönen gelben Mantel mit einem dunklen Pelzkragen. Sie verströmte eine dezente, aber atemberaubende Eleganz.
    Tina lächelte dieser Erscheinung nervös zu. Sie war so beeindruckt von dem teuren schwarzen Leder ihrer Handschuhe, Schuhe und Handtasche, dass sie jedes Mal, wenn Viola den Vorfall hinterher erwähnte, an den matten Schimmer dieses dunklen Leders denken musste und an das Parfüm der Dame, das sie nicht kannte und das sie an Russisch Leder erinnerte.
    Hetty wandte sich zu den neuen Passagieren um. »Sie haben wohl einen kleinen Spaziergang gemacht, was?« Sie sprach Tina an, aber ihr freundliches Lächeln schloss auch die tropfende Viola ein.
    »Ja, es war ein so schöner Tag. Wir konnten ja nicht ahnen, dass es ein Gewitter geben würde …«
    »Ja, es ist wirklich urplötzlich hereingebrochen, nicht wahr?«
    Eine diskrete Bewegung und ein entschuldigendes Murmeln von Viola, die auf die Fußgelenke der Erscheinung getropft hatte. Die Erscheinung zog ihre Füße mit einem nachsichtigen Lächeln ein.
    Sie konnte es sich leisten, nachsichtig zu sein. Trotz Tinas zwar nassem, aber höchst geschmackvollem Kleid, Violas blühender Jugend und Hettys studentischer Intelligenz stellte sie die drei anderen mit Leichtigkeit in den Schatten. Im Vergleich zu ihrer makellosen Schönheit und Eleganz waren die drei graue Mäuse.
    Hetty war die Einzige, der das nichts ausmachte. Bei der Erscheinung handelte es sich ja bloß um Phyl Barlow, die keinen einzigen originellen Gedanken im Hirn hatte. Während das Auto rasch die nasse Meile zu The Eagles zurücklegte, machte sie hartnäckig Konversation mit Tina. Man entdeckte gemeinsame Bekannte und stellte fest, dass Mrs Spring und Mrs Wither einander letztes Jahr im Komitee des Hospiz-Balls von Chesterbourne begegnet waren.
    Hetty wollte sich diese Gelegenheit, die traurige junge Miss Wither kennenzulernen, nicht entgehen lassen. Sie hielt sie für psychologisch höchst interessant und hatte sie außerdem schon mehrmals im Buchladen in Chesterbourne gesehen.
    »Meine Schwägerin«, murmelte Tina, sich endlich ihrer Manieren entsinnend, als sie bereits vor The Eagles vorfuhren, und deutete auf Viola. Das Auto der Withers mit Saxon und Mr Spurrey war nirgends zu sehen. Ach du Schreck, das konnte nur bedeuten, dass sie bereits eingetroffen waren!
    Viola, die sich kaum an dem jungen Gott, der am Steuer saß, hatte sattsehen können (zur Belustigung von Miss Barlow), drehte sich beim Aussteigen mit ihrem

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