Der Sommernachtsball
Selbstsüchtig, unattraktiv und total verzogen. Ich denke, wir sollten sie auf eine schöne lange Kreuzfahrt schicken, sobald Victor und ich verheiratet sind; sie liebt doch Reisebücher. Vielleicht findet sie da ja auch einen Mann, aber das bezweifle ich, sie ist viel zu affektiert. Und es gibt nichts, was Männer mehr hassen als Affektiertheit.
Miss Barlows eigener Erfolg bei Männern (acht ausgewachsene Heiratsanträge in fünf Jahren, komplett mit Hand, Herz und Vermögen, unzählige Liebesschwüre, behindert nur durch bereits geleistete Eheschwüre oder einen Mangel an Geld, ganze Lastwagenladungen voller Blumen, Pralinen, Schmuck und kleinerer Kleidungsstücke, ganz zu schweigen von einem nicht abreißen wollenden Strom von Einladungen zu Bällen, Rennen und Shows) gründete ihrer Meinung nach vor allem auf ihren Mangel an Affektiertheit.
Für sie hatte das Wort eine besondere, weitergehende Bedeutung, die jegliches Verhalten umfasste, das sich von dem ihren unterschied. Daher war es affektiert, wenn man gerne Bücher las, gerne allein war, Sport professionell betrieb oder sich an den extremen Rändern der derzeitigen Mode bewegte. Phyllis’ Lebensideal bestand in der Verfolgung konventioneller Vergnügungen, die nie allzu lange dauerten, aber eine Menge Geld kosteten.
Sowohl die Springs wie auch die Barlows, Phyllis’ Familie (ein Nest von reichen Brokern), gingen davon aus, dass Victor und Phyllis eines Tages heiraten würden, unterhielten sie doch schon seit ihren Harrow- und Rodean-Tagen eine halb verliebte, halb gereizte Freundschaft. Bis jetzt waren sie jedoch viel zu beschäftigt gewesen (der eine mit Geldmachen, die andere damit sich zu vergnügen), als dass sie Zeit gehabt hätten, sich dem Aufwand einer Heirat zu unterziehen.
Dann war da noch die Frage von Kindern. Phyllis hatte mit fünfzehn beschlossen, keine Kinder zu bekommen. Kinder ließen eine Frau bloß aus dem Leim gehen, vor allem nach einer Schwangerschaft, aber auch schon während derselben. Victor dagegen wünschte sich Kinder. Sie hatten zwar nie offen darüber geredet, doch kannte jeder die Einstellung des anderen. Das galt es also auch noch auszufechten. Kurz gesagt, je länger sie damit warteten, sich offiziell zu verloben, desto unkomplizierter und vergnüglicher war das Leben. Sie sahen sich ja oft genug in der Wohnung von Phyllis’ Eltern in London, die das ganze Jahr über Gäste empfingen, und an den meisten Sommerwochenenden auf Grassmere, wo die Springs zahlreiche Partys veranstalteten.
Mrs Spring schätzte Phyllis’ Gesellschaft, denn sie nahm die Unterhaltung von Gästen, Innendekoration und Kleidung ebenso wichtig wie Mrs Spring. Aber man konnte nicht behaupten, dass Mrs Spring Miss Barlow sonderlich mochte. Sie spürte in der augenscheinlichen Offenheit der Jüngeren den unterschwelligen Drang, andere herumzukommandieren und auszustechen, und das gefiel ihr nicht. Wenn auf Grassmere jemand herumkommandierte und andere ausstach, dann doch sie, Mrs Spring, nicht Miss Barlow. Victor tat natürlich beides, aber das machte Mrs Spring nichts aus. Victor war ein Mann, und von einem Mann in den Schatten gestellt zu werden war in Ordnung.
Dennoch, Phyllis war eine schöne, reiche Frau, die Victor passen würde. Und wenn die beiden erst einmal verheiratet waren, würde sie schon ihre Einstellung zum Kinderkriegen ändern, das taten ja die meisten. Ein schöner, attraktiver Enkelsohn, so wie Victor, das wäre einfach wundervoll!
Mrs Spring lag unter einer leichten Decke in einem Liegestuhl auf der Veranda und betrachtete den Gewitterregen, der jäh auf den schiefergrauen Fluss jenseits der weiten Rasenfläche herabprasselte. Sie hatten ein paar Hausgäste, aber die befanden sich auf einer Ausfahrt mit dem Auto. Heute ging es ihr nicht gut. Sie versuchte sich das nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen, aber es fiel ihr schwer. Sie hatte so viel im Leben, da schien gute Gesundheit obendrein nicht zu viel verlangt zu sein. Hetty, Phyl und Victor waren kerngesund und stark wie junge Pferde, für die war eine gute Gesundheit selbstverständlich.
»Ach, hallo, Phyllis«, sagte sie und schaute auf, als die drei ins Zimmer kamen. »Wie hübsch du aussiehst! (Hetty! Deine Frisur!) Ich habe euch schon vor einer halben Stunde erwartet. Hatte der Zug Verspätung?«
»Der Zug nicht«, antwortete Miss Barlow und blickte lächelnd auf Mrs Spring hinab, während sie ihren Fuchspelz abnahm. »Victor schon.«
»Ganze drei Minuten«, antwortete
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