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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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Heim geworden war, fehlte sie mir wieder.
    In der Küche war ich momentan unschlüssig, wo ich mit dem Klarschiffmachen anfangen sollte, und dann dachte ich mir, dass ein großer Müllsack schon mal ein guter Anfang wäre. Ich schaufelte Pappteller, Plastikgabeln und -tassen hinein (nachdem ich die halb vollen in der Spüle entleert hatte) und alles, was auch nur annähernd nach Abfall aussah. Die ungeöffnete Post, und davon gab es viel, landete als Stapel auf dem Tisch, bis ich sie gemeinsam mit Dad durchgehen konnte.
    »Was ist passiert?«, fragte ich. »Vor ein paar Monaten war hier alles tipptopp.«
    »Ich war beschäftigt.«
    »Womit denn?«
    »Beschäftigt.«
    Ich bändigte das Esszimmer und die Küche. Als Nächstes wagte ich mich ins Bad. Das Schlafzimmer, in dem ich übernachten würde, hatte ich bereits gesehen, und es war Gott sei Dank frei von Chaos. Das einzige Bad hier aber war es nicht. Der Gestank von getrocknetem Urin schlug mir entgegen, als ich die Tür öffnete. Ich warf einen Blick hinein, und meine Augen bestätigten, was meine Nase argwöhnte. Badetücher, die schon wer weiß wie lange nicht gewaschen worden waren, hingen von der Duschstange, die Badewanne hatte einen schmierigen Rand und Dads Daneben pinkeln hatte kleine gelbe Pfützen zwischen Waschbecken und Wanne hinterlassen.
    »Hast du Gummihandschuhe?«, rief ich.
    »Lass es einfach!«
    »Ist doch kein Thema.«
    »Unter der Spüle.«
    Als ich ins Wohnzimmer zurückging, stellte ich fest, dass Dad nur einen halbherzigen Versuch gemacht hatte zu helfen, denn nach dem zu urteilen, was ich sah, hatte er lediglich die Zeitungen und anderen Müll zu ordentlicheren Stapeln aufgehäuft. Ich fand ihn in seinem Fernsehsessel, wie er mit der Fernbedienung hantierte.
    »Was willst du denn mit den ganzen Zeitungen, Dad? Sammelst du die fürs Altpapier?«
    »Vielleicht will ich die aufheben.«
    Ich hielt eine Titelseite der
Billings Gazette
hoch, datiert 14. Juli 2007.
    »Du willst wohl die Wasserstandsmeldungen sammeln, was?«, sagte ich.
    Sein Zorn schlug ein wie der Blitz.
    »Behandele mich gefälligst nicht wie ein Kleinkind. Kapiert? Lass das, verdammt noch mal!«
    »Brr! Tu ich doch gar nicht. Das sollte nur ein kleiner Scherz sein.«
    »Das ist nicht witzig.«
    »Nein, offenbar nicht.«
    Dad schäumte zwar vor Wut, sagte aber weiter nichts.
    Ich ging in die Küche, buddelte Gummihandschuhe und Putzmittel aus und stapfte anschließend durch den Flur, um mit dem Bad fertig zu werden.
    Ein paar Minuten später hörte ich ihn durch den Flur kommen. Ich kniete gerade mit dem Kopf zwischen der Toilette und dem Badezimmerschrank eingeklemmt und schrubbte den Boden.
    »Ich lege mich ein Weilchen hin«, sagte er.
    »Schön, Dad. Ich bin hier drin fast fertig.«
    Er ging durch den Flur zurück und schloss die Tür. Anschließend gehörte mir für mehr als vier Stunden das Haus allein.
    Als Dad um kurz nach sieben wieder auftauchte, hatte ich das Haus wieder bewohnbar gemacht. Fünf große, randvolle Müllsäcke hatte ich weggeschleppt, die Fußböden gewischt, Geschirr gespült, die Post sortiert und den Staub von den Möbeln gewischt. Jetzt war nur noch Staubsaugen übrig, was ich nicht getan hatte, solange Dad schlief.
    Ich saß in seinem Fernsehsessel, sah mir den Montagabend-Football an und aß eine Pizza, die ich im Gefrierfach gefunden hatte. Ich bot Dad seinen Sessel an, aber er bedeutete mir, sitzen zu bleiben, und nahm auf dem Sofa gegenüber Platz.
    »Sieht gut aus, das Haus«, sagte er.
    »Es geht. Möchtest du was essen?«
    »Hab keinen Hunger.« Er schaltete den Fernseher ein. »Wer spielt?«
    »Washington gegen Philly.«
    »Wer führt?«
    »Washington mit 3:0.«
    Das Spiel war nebensächlich. Dad, der sein ganzes Leben in Montana verbracht hatte, war Fan der Denver Broncos. Und ich, aufgewachsen in Washington, hielt zu den Seattle Seahawks. Das hatte immer zu einem gutmütigen Geplänkel zwischen uns geführt, als ich Kind war und sie in derselben Liga waren, doch seitdem hatte das Schweigen längst dafür gesorgt, dass es in unserer Beziehung keinen Platz für so etwas Triviales wie Football gab.
    »Also, Dad. Was ist mit dem Haus passiert?«
    »Wie meinst du das?«
    »Komm schon! Immerhin hab ich es gerade vier Stunden lang geputzt.«
    »Hat dich keiner drum gebeten.«
    »Entweder ich oder ein Seuchenkommando, Pop.«
    »Ich hab dich gewarnt. Mecker nicht rum!«
    Dazu hätte ich eine Menge sagen können – angefangen mit der

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