Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
Vom Netzwerk:
sie dann endlich eintrudelten, erwiderte er ihre kleinlauten Ausreden mit stierem Blick und hetzte uns durch das Frühstück. Dad hatte eine eiserne Disziplin, die strikteste von allen in den etwa fünfzehn Trupps auf der Bohrstelle.
    Nicht später als Viertel vor sechs brachen wir auf, zur anderen Seite der Stadt. Wir saßen zu viert nebeneinander auf der Sitzbank des großen Führerhauses; der hintere Teil war meistens voller Werkzeug, Karten oder Arbeitskleidung. Ich war zwischen Jerry und Dad, der fuhr, eingekeilt, und Toby saß außen. Wenn ich einnickte, und das passierte fast jeden Morgen, hüpfte mein schwerer Schädel wie ein Pingpongball zwischen Dads rechter und Jerrys linker Schulter hin und her.
    Der Ely Highway führte durch eine sandige Ödnis voller Restberge und Beifußsträucher, und obwohl wir nur etwa vierzig bis fünfzig Kilometer von der Stadt entfernt waren, schien die Fahrt endlos, sowohl hin wie auch zurück. Es war, als ob sich immer wieder dieselbe Szene vor uns entfalten würde, Kilometer um Kilometer. Und als ich wieder mal dachte, dass wir nie ankommen würden, bog Dad in eine Schotterpiste ab und fuhr ins Hinterland.
    Statt jedes Mal die Ausrüstung von und nach Milford zu transportieren, beendete Dad jeden Tag damit, sie direkt an der Stelle für die Bohrung des folgenden Tages zu parken. Und immer wieder aufs Neue ging mir beim ersten Anblick des Turms am frühen Morgen das Herz auf. Irgendwas daran stand für Neuanfang, für mich zumindest. Ein neuer Tag, eine neue Chance, acht, zehn, ja ein ganzes Dutzend Probeschächte anzulegen. Eine neue Chance, es Dad recht zu machen. Ein neuer Tag, um in seine Schusslinie zu geraten.
    Weder Jerry noch Toby fanden unsere tägliche Ankunft stimulierend. Denn dann fing ihre Arbeit erst richtig an. Jerry musste sich als Erstes unter den Truck schieben – einen International Harvester Paystar 5000, auf den ein Mayhew-Bohrturm montiert war – und ihn schmieren. Vorab ging er um das ganze Fahrzeug herum und trat heftig gegen jeden Reifen. Es war bekannt, dass die Klapperschlangen spät am Nachmittag, wenn wir Schluss machten, in die Radkästen krochen und sich darin ausstreckten. Auf dem Rücken wollte Jerry auf keinen Fall liegen, wenn er sich mit einer aufgeschreckten Klapperschlange konfrontiert sah. Besser die Schlange gut vorwarnen und sie von sich aus wegkriechen lassen.
    Toby machte das Gleiche unter dem Wasserwagen, einem braunen Ford mit einem Elftausendlitertank. Er war auch damit betraut, den Sprengstoff zu holen, den Dad am ersten Loch brauchte, und sicherzustellen, dass die Schaufeln und andere Gerät schaften bereitstanden. Sobald der Mast hochkam, verlor Dad keine Zeit.
    Das eigentliche Graben verfehlte nie seine faszinierende Wirkung auf mich. Es war wie ein kruder Tanz mit meinem Vater als Ballettmeister. Abschnitt um Abschnitt rammte er das Rohr in den Boden, kontrollierte die Geschwindigkeit und den Anschluss von neuem Rohr mit einer Reihe von Hebeln, während Jerry ihm gegenüber das schwere Heben übernahm. Sobald ein Abschnitt den Tiefpunkt erreicht hatte, klatschte Jerry eine Art große Stahlhand um das Rohr; dann ließ Dad die Motoren des Bohrturmsaufheulen und löste den Treiber vom Rohr. Anschließend nahm Jerry eine sprungfederbetriebene Vorrichtung, die mit einem Kabel verbunden war, und steckte sie in das offene Ende eines neuen Rohrs. Mit Hebeln über seinem Kopf manipulierte Dad das Kabel, hob das Rohr und zog es in Richtung Jerry, der wiederum von der Seite des Bohrturms herabhing, bereit, es aufzufangen. Das neue Rohr wurde mit dem vorigen Abschnitt verbunden und wieder hinunter geschoben. Jeder Rohrabschnitt maß sechs Meter, und zur Fertigstellung jedes Schachts benötigte man acht bis zwölf davon. Das Herausziehen ging nach demselben Verfahren in umgekehrter Reihenfolge, wobei Jerry den Greifer an dem Rohr befestigte, das hochund herausgezogen und anschließend eine Rutsche hinabgeworfen wurde – immer geführt von Dads Hebeln – und von dort in eine Transportbucht purzelte. Toby, der designierte Handlanger Nummer zwei, war zuständig für das Schaufeln und andere Routinearbeiten.
    Die bröselige Erde erwies sich als Komplikation in unserem augen blicklichen Umfeld. Für Dad war es die schlimmste Bohrarbeit überhaupt. Er musste immer einen riesigen Stahlkasten mit einem Loch an einem Ende, eine sogenannte Grube, mitschleppen. Er rückte das offene Ende über die Bohrstelle, und in diese Grube

Weitere Kostenlose Bücher