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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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schüttete die Crew Wasser und pulverisierten Bohrschlamm. Der Matsch floss das Loch hinab, haftete unter dem Druck des rotierenden Rohrs an den Erdwänden und verstärkte sie. Traditionelles Luftbohren war hier nicht möglich, die Löcher wären einfach in sich zusammengefallen. Der aufgewühlte Dreck musste aus der Grube geschaufelt werden, eine Arbeit, die Toby zufiel oder mir, sofern Dad es erlaubte. Dad ließ mich auch den pulverisierten Schlamm hineinschütten, aber wie alles andere gab er dies bis ins Kleinste vor, oft auch widersprüchlich.
    »Nicht so doll, Mitch, nicht so doll!«
    »Mehr, verdammt noch mal, mehr!«
    »Okay, hau weg den Scheiß!«
    »Wo bleibt denn der verdammte Matsch, Mitch?«
    Ab und zu erhaschte ich einen Blick von Jerry, der die Augenverdrehte oder die Nase rümpfte und Dad pantomimisch nachahmte, wie er Befehle brüllte. Dads Kasernenhofton brachte mich fast zum Weinen, aber Jerrys Clownerie holte mich wieder zurück.
    Sobald das Loch die erforderliche Tiefe erreicht hatte, platzierte Dad eine Ladung. Der Sprengstoff kam in Form von großen Plastikstangen – weißen oder roten – mit Gewinde an jedem Ende. Die Stangen waren genauso dick, aber anderthalb mal so lang wie ein Nudelholz. Der Holzpfahl, der jede Grabung mar kierte, enthielt Informationen über die empfohlene Sprengstoffmenge. Dazu gehörte, die Stangen zu verbinden, sie mit einer Sprengkapsel zu verdrahten und dann vorsichtig in das Loch einzuführen.
    Mit dem ganzen pulverisierten Schlamm, den Dad verwendete, war es allerdings schwierig, den Sprengstoff in das Loch hinabzulassen. Er, Jerry und Toby nahmen oft zwanzig bis dreißig Holzstangen, jede drei Meter lang, mit Metallhaken an den Enden, und verbanden sie zu einer Kette, um damit den Sprengstoff durch den Matsch ins Loch zu stopfen. Es war keine präzise Wissenschaft: Eine falsche Bewegung und eine Stange löste sich von der anderen tief unten im Loch. Dann musste Dad eine Stunde oder länger versuchen, sie ungesehen wieder miteinander zu verbinden. Nie wieder seitdem habe ich eine derart wüste Schimpfkanonade miterlebt wie das Schauspiel, das mein Vater dann bot: Er trat gegen leere Sprengstoffkisten und stieß wilde Verwünschungen aus, während ihm die Zeit davonlief und er auf eine Möglichkeit sann, seine beschissenen Stangen wiederzukriegen.
    »Mitch, willst du das Fahren lernen?«
    Jerry und ich sahen zu, wie Dad zum Glück problemlos einen Schacht fertigstellte.
    »Was denn?«
    »Das Traumschiff. Den Pick-up natürlich, du Trottel.«
    »Im Ernst?«
    »Klar. Ich weiß, dass du ohne dein Minibike hier nicht viel Spaß hast. Du kannst mal damit anfangen, den Pick-up von einem Loch zum anderen zu fahren.«
    Es ging zwar nur um eine Entfernung von etwa hundert Metern, aber mit meinen elf Jahren damals kam mir das vor wie eine Fahrt auf der Interstate durchs ganze Land.
    »Und was ist mit ihm?«, fragte ich und deutete mit dem Kopf in Richtung Dad.
    »Das bleibt unser Geheimnis. Bis er dahinterkommt, dass du fährst, wird er froh sein, dass du es schon kannst. Das macht es einfacher für ihn, Toby zu feuern.«
    Darüber mussten wir beide lachen.
    Tatsächlich, bis das Loch gegraben, die Sprengladung gefallen war und Dad seinen Bericht an den Pfahl geheftet hatte, verlor er keine Zeit. Er kletterte in den Sattelschlepper zurück und eilte zur nächsten Bohrstelle. Auf mich achtete er nicht.
    Im Pick-up sagte Jerry: »Jetzt mach mal!«
    »Ich weiß, wie das geht.«
    »Ach, wirklich?«
    »Na, ich hab euch doch dabei zugeschaut.«
    »Okay, du Genie, dann mal los!« Jerry verschränkte die Arme und wartete, dass ich versagte. Tat ich auch, aber nur knapp.
    Es gelang mir, den Pick-up zu starten, aber ich hatte überhaupt keine Vorstellung davon, wie heftig die Kupplung beim Loslassen und bei einem Tritt aufs Gaspedal reagieren würde. Wir ruckelten und zuckelten und blieben stehen. Der Sattelschlepper und der Wasserwagen vor uns wurden kleiner.
    »Das kriegst du schon noch hin«, sagte Jerry. »Gib mal etwas mehr Gas.«
    Das funktionierte. Der Ford torkelte im ersten Gang vorwärts. »Jetzt musst du deine Ohren gebrauchen. Wenn der Motor aufheult, schalte.«
    Gesagt, getan. Ich gab Zwischengas und kuppelte doppelt, so wie ich es bei Dad im Sattelschlepper gesehen hatte.
    »Das ist nicht nötig«, sagte Jerry. »Tritt auf das Kupplungspedal und halte es gedrückt, bis du im nächsten Gang bist. Du willst ja nicht die Kupplung durchbrennen.«
    Mein anderer Fehler

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