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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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Körper an. Dann tigerte ich im Zimmer herum und bewegte meinen Oberkörper ruckartig vor und zurück. Mit tiefer Stimme wie aus einem Zeichentrickfilm sagte ich: »Du da! Keine Milchprodukte in deinem Kaffee. Sei ein Kerl so wie ich. Koffein pur. Scheiß auf den Geschmack.«
    »Komiker«, sagte Dad und winkte ab. Aber ich sah es in seinen Augen blitzen. Es fiel ihm schwer, seine Belustigung zu verbergen.
    Ich setzte mich aufs Sofa und rief mit dem Handy zu Hause an.
    »Du kannst mein Telefon nehmen«, sagte Dad.
    »Flatrate«, sagte ich.
    Er vertiefte sich wieder in seine Sendung.
    »Hi ... Ich bin gegen fünf aufgestanden und spazieren gegangen ... Ja, echt, ich und spazieren gehen ... Ihm geht’s gut. Wir haben gerade gefrühstückt ... Er guckt fern ... Was machen die Kinder? ... Ach, du genießt doch sicher das Alleinsein ... Nein, keine großen Pläne. Häng hier noch rum, es sei denn, er will irgendwas unternehmen ... Ja, mach ich ... Okay ... Tschüss.«
    »Avery und Adia schlafen noch«, erzählte ich Dad.
    »Aha. Und was treibt deine Frau denn so?«
    »Cindy.«
    »Ja.«
    »Sie heißt Cindy.«
    »Weiß ich.«
    »Sie ist eine Mutter und hält mich bei der Stange. Das Übliche.«
    »Ist sie immer noch so eine Ökotussi?«
    »Du meinst Umweltschützerin?«
    Dad schnaubte verächtlich.
    »Ja, sie engagiert sich noch. Sie ist in der Tat Teil der Gruppe um den Bürgermeister, die grüne Politik macht.«
    »Grün – das Wort höre ich die ganze Zeit. Ich weiß nicht mal, was das bedeutet.«
    »Das bedeutet Nachhaltigkeit im Leben und in Geschäftspraktiken. Treibhausgase reduzieren, mehr Recycling, alternative Energie und so was.«
    »Für mich hört sich das an wie ein Haufen Blödsinn.«
    »So geht es heute nun mal zu in der Welt, Dad.«
    »Ökofreaks kotzen mich an. Die haben mir mein Geschäft versaut.«
    Ich schüttelte den Kopf. »82/83 war doch alles im Arsch, oder?«
    »Um den Dreh, ja.«
    »Erdgasund Ölpreise. Die sind im Keller, was?«
    »Ja.«
    »Die Leute sind arbeitslos. Der Wohnungsbau ist völlig im Arsch. Stimmts?«
    »Ja, Mitch.«
    »Aber Cindy hat dir dein Geschäft versaut. Genial, Pop.«
    Seine Augen blitzten. »Klappe!«
    »Nein, echt. Phänomenal, Dad!«
    »Und eure Kinder erzieht ihr wohl auch zu Körnerfressern, oder?«
    »Wir erziehen sie zu selbstständigen Menschen«, sagte ich. »Sie heißen übrigens Avery und Adia.«
    »Ich kenne ihre Namen.«
    »Ja, gut, aber viel mehr weißt du nicht. Ich will dir mal was sagen, und ich hoffe, es ist dir nicht egal. Als ich meine Sachen fürmeinen Besuch hier packte, hab ich den Zwillingen erzählt, wohin ich wollte, und Adia hat gesagt, sie mag dich nicht.«
    »Sie kennt mich doch nicht mal«, protestierte Dad.
    »Richtig. Und das ist so ziemlich genau der Punkt.«
    »Das ist ganz schön voreingenommen.«
    »Scheint dich ja zu treffen.«
    »Das nicht gerade. Aber sehr fair ist es nicht.«
    »Sie ist doch noch ein Kind, Dad. Und die Logik dürfte dich kaum befremden, da deine eigene auch nicht besser ist als ihre. Sie sagt einfach, was sie denkt. Kommt dir das nicht bekannt vor?«
    Das Gespräch war beendet. Dad schlug mit der Zeitung nach mir und sah weg.

BILLINGS | 18. SEPTEMBER 2007
    Ein paar Stunden nachdem wir uns in unsere neutralen Ecken zurückgezogen hatten, aus denen wir den Fernseher fixierten, fragte Dad, ob ich Lust auf ein Spiel hätte.
    »An was hattest du denn gedacht?«
    »Helen und ich haben oft
Sorry!
gespielt.«
    »Das Brettspiel?«
    »Ja.«
    Dad ging an sein Bücherregal. Das Spiel lag auf seiner Lieblingslektüre, hauptsächlich Western und ein paar Titel von Grisham. Während ich ihm half, die Teile und die Spielkarten zu ordnen, entdeckte ich drei Blätter einfaches weißes Papier, jedes aufgeteilt in zwei Spalten, ausgefüllt mit Hunderten von Schrägstrichen in Einheiten von jeweils fünf Strichen – vier senkrechten, die durch einen waagerechten halbiert wurden – unter den Namen »Jim« und »Helen«. Dad hatte nicht gescherzt; er und Helen mussten viele Tausend Male gespielt haben.
    Er fing meinen erstaunten Blick auf.
    »Es stand zwei zu eins für sie, als sie starb.«
    Was das wohl für einen Sinn gehabt hatte, die Punkte zu notieren, überlegte ich, und dann sagte Dad: »Wir fangen ein neues Blatt für dich und mich an.« Die Antwort war klar: Es gab keinen Grund zum Spielen ohne Siegeskrone.
    Das Überleben des Stärkeren bei
Sorry!
fand ich absurd. Das Spiel erfordert wenig Geschick

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