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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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gegangen bist?«
    »Ja.«
    »Hattest du da viele Freunde?«
    »Im Waisenhaus?«
    »Ja.«
    »Ein paar, denk ich mal. Es ist lange her.«
    »Wie hießen die denn?«
    »Mitch, was soll das?«
    »Ich frag ja nur.«
    »Ich kann mich nicht erinnern. Es ist viele Jahre her.«
    »Aber das waren deine Freunde. Du musst dich doch erinnern ...«
    Dad schnitt mir das Wort ab. »Lass uns einfach essen, okay?«
    Er stopfte sich den Mund mit Steak und Kartoffelbrei voll, damit ihm möglichst kein Wort entschlüpfen konnte und ich gezwungen war, meine Fragen für mich zu behalten.
    Nach dem Essen versuchte ich es auf einer anderen Schiene.
    »Wo hast du mit Mom gewohnt, nachdem du nach Montana gekommen bist?«
    »Hier in der Gegend.«
    »In Billings?«
    »Nein, ich habe für einen Bohrer in Joliet gearbeitet.«
    »Wo liegt das?«
    »Da draußen in Richtung Red Lodge.«
    »Wo habt ihr gewohnt?«
    »Was soll das denn? Du hörst dich an wie als kleines Kind – eine Million Fragen.«
    »Das interessiert mich eben. Ich habe ja nie allzu viel über deine frühe Zeit mit dir und Mom gehört. Sie hat nie davon erzählt.«
    »Vermutlich weil es da nicht viel zu erzählen gab.«
    »Tu mir den Gefallen.«
    Dad schüttelte den Kopf. Er stieß sich mit den Füßen ab, um den Sessel umzudrehen, damit er mich ansehen konnte.
    »Wir haben in einer alten Arbeiterbaracke auf dem Grundstück von diesem Mann gewohnt. Da gabs nicht viel. Keine Küche, kein richtiges Bad.«
    »Mom muss das gehasst haben.«
    »Sie hat sich nie beklagt, jedenfalls nicht darüber. Wir haben im Haupthaus gegessen, mit dem Bohrer und seiner Frau, und deine Mom brachte die Wäsche einmal in der Woche in die Stadt. Der Mann und ich waren fast nie da. Wir waren immer draußen irgendwo arbeiten. Und deine Mom – au Backe!«
    »Was?«
    »Sie hat diese Frau wirklich gehasst. Immer wenn ich auf Urlaub zurückkam, redete sie über nichts anderes. Darum sind wir schließlich in ein Häuschen in die Stadt gezogen, damit deine Mom sich besser fühlen konnte und eine Privatsphäre hatte.«
    »Warum hat sie die Frau so verabscheut?«
    »Ach, die hat sich immer in alles eingemischt und Leila vorgeschrieben, was sie tun und wo sie hingehen sollte, sie wusste alles besser. Solche Nervensägen gibt es eben.«
    Ich lächelte beim Gedanken an Moms unabhängige Ader.
    »Das finde ich komisch«, sagte ich.
    »Ich habe Mom nie schlecht über irgendjemanden reden hören.«
    »Das hat sie vermutlich auch nicht, außer bei mir. Leila war ein guter Mensch.«
    Ich lächelte wieder. »Das hab ich dich noch nie sagen hören.«
    »Was?«
    »Dass Mom ein guter Mensch war.«
    »War sie aber.«
    »Ich weiß. Aber ich hab immer gedacht, dass du sie nicht mochtest.«
    »Warum?«
    »Du hast nie von ihr erzählt, und sie hat nie sehr viel von dir erzählt. Was hätte ich da sonst denken sollen?«
    »Du glaubst also, Schweigen hat etwas zu bedeuten. Manchmal gibt es einfach nichts zu sagen.«
    Der Abend verging wie im Flug. Zur Hauptsendezeit sahen wir uns einen Krimi aus der Serie »Numbers – Die Logik des Verbrechens«an. Ich fand ihn spannend, sehr zu meiner Überraschung. Mir ging auf, dass ich gar nichts mehr außer Kindersendungen sah. Unbemerkt hatten sich meine Kenntnisse der TV-Popkultur auf
SpongeBob
und
Bob der Baumeister
reduziert. Während einer Pause in den Lokalnachrichten sagte ich: »Dad?«
    Er brummte.
    »Dad, ich muss dich was fragen.«
    »Was?« Er drehte sich wieder zu mir um.
    Ich holte tief Luft.
    »Wer ist Kelly Hewins?« Er wandte sich ab und sah lange auf die Mattscheibe. Als er endlich Worte fand, sah er mich nicht an.
    »Wo hast du den Namen aufgeschnappt?«
    »Ich habe ihn nicht aufgeschnappt. Ich habe ihn gesehen.«
    »Wo?«
    »Ich war heute im Schuppen, und da stand so eine Schachtel ...«
    »Die Schachtel gehört dir nicht.«
    »Ich weiß.«
    »Warum hast du dann darin gestöbert?«
    »Keine Ahnung. Ich war fasziniert.«
    »Du bist also einfach an meine Sachen gegangen und hast alles gelesen?«
    »Äh, ja.«
    Dad sprang vom Sessel hoch und ging in die Küche. Ich stand auf und folgte ihm.
    »Dad, wer ist sie?«
    »Eine, die ich vor langer Zeit gekannt hab.«
    »Das ist alles?«
    »Das ist alles.«
    Ich stampfte mit dem Fuß auf. »Komm schon, Mann. Die Frau schreibt dir über eine Zeitspanne von vierzig Jahren oder so, und du kommst mir mit so was? Ich hab die Briefe gelesen, Pop. Eine flüchtige Bekannte sagt nicht solche Sachen wie sie.«
    »Du hattest kein Recht

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