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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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behagte mir zwar überhaupt nicht, aber immerhin kam ich mir ganz schön verrucht vor. Nachdem ich einen Schluck hinuntergewürgt hatte, trank ich noch einen.
    »Langsam«, sagte Jeff. »Die Hälfte davon gehört mir.«
    Ich gab sie ihm zurück. Er trank etwa die Hälfte davon in einem Zug.
    »Du kannst den Rest haben«, sagte er und gab mir die Dose. »Ich hab auch nicht gesabbert.«
    Ich leerte das Schaumzeug in zwei Schlucken. Sie schmeckten nach Terpentin. Gern hätte ich mir die Zunge mit einem sauberen Handtuch ausgewrungen.
    Das war das Coolste, was ich je gemacht hatte.
    Auf dem Gehweg kehrten wir in die Stadt zurück. Jeff holte ein paar Pfefferminzbonbons aus der Tasche und gab mir ein paar. »Für alle Fälle«, sagte er.
    Vor uns tauchte Dad aus dem Livery auf und blieb auf dem Gehweg stehen. Er stemmte die Arme in die Hüften, schob das Becken vor und streckte sich.
    »Zeit für mich zu gehn«, sagte ich.
    »Für mich auch«, sagte Jeff. Er rannte über die Straße ins Büro seines Vaters. Charley stand am Fenster und sah auf die scheinbar ruhige Stadt hinaus. Ich fragte mich, was sich da wohl abspielte, von dem er nichts ahnte. Sein eigener Sohn würde sicherlich einen nicht unerheblichen Anteil daran haben, nach allem, was ich gesehen hatte.
    Ich lief zu Dad.
    »Bist du so weit?«, fragte ich.
    Der Pick-up stand einen halben Häuserblock weiter, vor dem »Tin Cup«.
    »Also los!«, sagte ich. »Halte dich gerade. Charley beobachtet dich.«
    »Was bist du doch für ein pfiffiges Bürschchen«, sagte Dad. Er legte einen Arm um meine Schultern – als Ausgleich für das Gewicht, das er auf mich verlagerte, aber auch, um Charley irrezuführen, falls der uns auf der Straße folgen sollte.
    »Hol deine Schlüssel raus«, sagte ich. »Bist du fahrtüchtig?« Ich war in Sorge, was zu tun wäre, falls er Nein sagte.
    »Ja, ich bin okay.« Er stützte sich noch stärker auf mich, fischte die Schlüssel aus seiner Tasche und versuchte, sie um den Zeigefinger rotieren zu lassen. Nur mein schneller Zugriff verhinderte, dass sie zu Boden fielen.
    Dad öffnete seine Tür und stieg ein, dann öffnete er mir das Schloss auf der Beifahrerseite.
    »Schön langsam«, sagte ich, nachdem er den Ford gestartet hatte.
    »Ich weiß, Mitch.«
    Er legte den Schalthebel in den ersten Gang und bugsierte den Ford auf die Straße. Ich sah im Rückspiegel nach hinten, es leuchte ten keine Lichter auf. Als Split Rail endgültig hinter uns verschwand, wusste ich, dass wir es geschafft hatten. Ich stieß meinen angehaltenen Atem in einem langen Pfeifton aus.
    »Ich rieche Bier«, sagte Dad. »Hast du getrunken?«
    Ich tat überrascht. »Nein. Aber du.«
    Wenige Sekunden später riss Dad den Ford von der Straße, stieß seine Tür auf, ließ den Kopf hinaushängen und erbrach sich in hohem Bogen auf den Boden. Dann kletterte er aus dem Wagen und taumelte nach hinten, und ich hörte die Zuckungen seines rebellierenden Magens. Der beißende Geruch von Bier und Magen säure waberte ins Führerhaus, und ich presste Mund und Nase in mein Hemd.
    Ich fuhr zusammen, als Dad mit den Knöcheln an das Fenster der Beifahrerseite klopfte.
    »Rutsch mal rüber«, sagte er. Seine Haut wirkte ziemlich verfärbt, unter den Augen sammelte sich Schweiß.
    Schließlich fuhr ich doch.

BILLINGS | 22. SEPTEMBER 2007
    Ich erzählte Cindy die Geschichte, während ich zu Dad zurückraste. Ihre Reaktion wiederholte meine eigene Kurve – zuerst Verwirrung, dann Neugier, dann Trauer, dann Entsetzen.
    »Mitch, das erklärt so vieles.«
    »Was erklärt das? Ich habe mehr Fragen als je zuvor.«
    »Meinst du nicht, das erklärt, warum er so geworden ist? Er hat in seinem ganzen Leben keine Liebe empfangen. Kein Wunder, dass er sich dir nie geöffnet hat. Er traute niemandem.«
    Sie hatte recht. Aber dies war eine große Sache – größer als alles, was ich je gesehen hatte. Die Kluft zwischen uns beiden, immer trügerisch, war jetzt total vermint. Ich sehnte mich nach Nähe zu diesem Vater, der sie mir verweigerte. Jetzt konnte ich ihn klarer denn je vor mir sehen, und dennoch konnte ich die Distanz nicht überbrücken. Was sollte ich damit nur machen?
    »Ich weiß gar nicht mal, wo ich anfangen soll«, sagte ich. Billings flog vorbei, während ich darauf wartete, dass meine Frau, in solchen Dingen klüger als ich, etwas sagte.
    »Ich auch nicht, Mitch. Echt nicht.«
    »Scheiße.«
    »Was?«
    Ich rollte in eine leere Auffahrt vor Dads Womo.
    »Er ist nicht

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