Der Sonntagsmann
Jacke. Das war weniger cool.«
Kari schaute weg. »Ich habe irgendwie auf eine andere Art Angst«, meinte sie. »Wollen wir weiterfahren?«
Bei Timrå bog Robert von der Küstenstraße ab. Sie fuhren in die Wildnis, die Kiefern erhoben sich imposant hinter dem Straßengraben. Kleine Dörfer reihten sich aneinander: Viksjö, Graninge, Helgum, Edsele, Ramsele, Hoting. In Hoting ging die Sonne gerade unter. Ein Ica-Laden war dabei zu schließen, aber Kari fragte, ob sie noch rasch einkaufen dürften. In den Einkaufskorb legte sie einen Ring Fleischwurst und eine Schachtel Makkaroni. Robert nahm zwei Dosen Bier.
Auf der Straße kam ihnen eine alte Frau entgegen. Sie war klein, dick und im Oberkiefer fehlte ihr ein Zahn. »Entschuldigen Sie«, sagte Robert, als sie an ihnen vorbeiging. Die Frau blieb stehen und drehte sich um. »Können wir das Essen hier irgendwo zubereiten?«, fragte Robert und deutete auf die Fleischwurst und die Makkaronischachtel. »Ich habe einen Herd und bin allein«, sagte die Alte. »Ich wohne in der Nähe. Gehen wir.« Robert und Kari trotteten hinterdrein, bis sie ein kleines Haus am Ortsrand erreichten.
»Setzt euch, dann mache ich das warm«, sagte die Greisin und nahm Robert die Ica-Tüte aus der Hand. »Mein Alter ist nicht zu Hause.«
»Wo ist er denn?«, fragte Kari.
»Auf dem Friedhof«, antwortete die alte Frau. »Schon seit zwanzig Jahren. Aber ich stelle ihm trotzdem immer einen Teller hin, falls er vorbeikommen sollte. So genau kann man das nie wissen.«
Die alte Frau schwieg, während Kari und Robert aßen. Als sie fertig waren, räumte sie die Teller ab. »Jetzt mache ich euch das Bett«, sagte sie. »Ihr könnt das große Bett haben.«
»Wir sind nicht zusammen«, sagte Kari.
»Man soll im selben Bett liegen«, sagte die alte Frau. »Sonst gibt es keine Kinder. Und Kinder brauchen ihre Eltern. Das muss ich schließlich wissen, obwohl mich meine nie besuchen.«
Robert zuckte mit den Achseln und grinste Kari dümmlich an.
»Immerhin ist es warm hier drinnen«, meinte er.
»Bilde dir bloß nichts ein«, sagte Kari.
Am Himmel war immer noch ein heller Streifen, als sie auf dem Rücken nebeneinander im Bett lagen. Er rechts und sie links wie ein altes Ehepaar mit festen Plätzen. Er drehte sich in ihre Richtung und legte ihr eine Hand auf den Bauch. Sie nahm sie weg.
»Nein, habe ich doch gesagt.«
»Ich dachte, wenn wir schon mal so hier liegen«, sagte Robert.
»Enttäusch mich jetzt nicht«, erwiderte sie.
Robert ließ sich wieder zurücksinken. »Ich hatte noch nicht so viele Frauen«, sagte er.
»Aber ich hatte schon zu viele Typen«, entgegnete sie. »Und gerade jetzt brauche ich keinen neuen.«
Er faltete seine Hände über der Brust. Eine Weile später schliefen sie beide.
13. KAPITEL
Sie träumte, dass sie gerade ein Kind geboren hatte. Sie konnte nicht sehen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelte. Die Hebamme nahm das Kind und sagte, sie sei gleich wieder da, kam aber nie zurück.
Als sie erwachte, hatte sie Tränen in den Augen. Sie setzte sich im Bett auf, und eine Weile lang bereute sie es. Sie hätte es nicht tun sollen. Die Abtreibung letztes Jahr war ein Fehler gewesen, sie hätte es behalten sollen, dann wäre das Kind jetzt schon auf der Welt gewesen. Ihr Körper war leer, wusste aber trotzdem, dass es jetzt an der Zeit gewesen wäre.
Neun Monate und eine Woche. So lange dauerte es, um einen Menschen zu formen, und so lange war das Kind vor der Umwelt geschützt. Dann begann die große Einsamkeit. Elina versuchte an etwas anderes zu denken. Sie ging zu dem Karton mit den Akten über Ylva Marieanne Malmberg, den sie am Vorabend wieder mit nach Hause genommen hatte. Ylvas Lebensgeschichte hatte in einem Karton Platz.
In einer Plastikhülle lag ein Taschenkalender für das Jahr 1978. Neun Monate und eine Woche … Ylva hatte ihre Tochter am 2. Mai 1979 zur Welt gebracht. Das Mädchen war normalgewichtig und vollständig entwickelt zur Welt gekommen. Elina rechnete nach. Sie musste also etwa am 25. August 1978 schwanger geworden sein. Wenn der Kindsvater Ylva ermordet hatte, dann musste sie zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Mörder zusammen gewesen sein.
Sie schaute auf die Jahresübersicht in dem kleinen roten Taschenkalender. Der 25. August 1978 war ein Freitag gewesen. Kein ungewöhnlicher Tag, um schwanger zu werden, dachte sie. Sie nahm ihren Notizblock zur Hand. »Ylvas Sexleben?«, schrieb sie und machte einen dicken Strich
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