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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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Sicht.
    »Der ist nicht so schnell«, meinte Robert, als sie auf der Autobahn von allen überholt wurden. »Wenn man zu viel Gas gibt, will er einfach nicht. Das ist bei den Menschen genauso.« Er lachte.
    »Was passiert dann?«, fragte Kari.
    »Dann kocht der Kühler über«, antwortete Robert. »Ich fahre im Schnitt neunzig. Dann braucht man auch keine Angst zu haben, dass man in eine Geschwindigkeitskontrolle gerät.«
    Durch das Seitenfenster betrachtete sie die platte Landschaft, die nach hinten flitzte. »Weißt du den Weg?«, fragte sie.
    »Bis zu den Lofoten? Da fährt man einfach nach Karte«, antwortete er. »Ich habe von der Tanke eine mitgenommen. Ich finde, wir sollten den kürzesten Weg nehmen, das braucht weniger Benzin.«
    Als sie Uppsala hinter sich gelassen hatten, schlief sie ein. Er betrachtete ihren Kopf, der in den Kurven leicht zur Seite kippte. Es fiel ihm schwer, seinen Blick von ihrer Unterlippe loszureißen. »Schlaf nur«, sagte er leise. »Es wird eine lange Reise.«
    Nördlich von Gävle wachte sie auf. »Ich bin hungrig«, sagte sie. »Ich habe nicht gefrühstückt.«
    Er gab ihr die Landkarte. »Ich bin gerade an einem Schild vorbeigefahren, auf dem es Richtung Bollnäs ging«, sagte er.
    »Was kommt dann?«
    Kari suchte. »Hier sind wir«, sagte sie. »Die nächste Stadt heißt Söderhamn. Davor kommen noch Ljusne und dann an der Küste Sandarne.«
    »Ist das weit von der E 4 weg?«, fragte er.
    »Nur ein kleines Stück. Zumindest laut Karte.«
    Robert bog von der E 4 ab, und nach einer Weile verkündete ein Schild, dass sie sich in Ljusne befanden. Die Straße wurde von dreigeschossigen Mietshäusern ohne Gardinen in den Fenstern gesäumt. »Wo sind all die Menschen?«, wollte Kari wissen und sah sich um. »Das da könnte ein Laden sein«, meinte Robert und deutete auf einen kleinen Platz. Er fuhr ein Stück weiter und parkte direkt vor dem Eingang. Der Laden war genauso menschenleer wie die Straße davor, und es gab auch kaum etwas zu kaufen. Ein dunkelhaariger Mann mit Schnurrbart kam durch eine Hintertür. »Willkommen«, sagte er, »ihr seid heute meine ersten Kunden.«
    Robert nahm ein großes Brötchen, Käse und eine Tüte Milch, Kari eine Cola und Süßigkeiten. »Gibt es noch einen größeren Laden, in dem alle einkaufen?«, fragte Robert als sie bezahlten.
    »Alle sind weggezogen«, erwiderte der Mann. »Hier ist alles tot. Nur ich, Mustafa aus der Türkei, wohne noch hier. Und niemand will meinen Laden kaufen.«
    »Wo liegt das Meer?«, fragte Kari.
    Der Mann deutete in eine Richtung. »Ihr könnt es haben, wenn ihr wollt«, sagte er.
    »Was?«, fragte Robert.
    »Das Geschäft. Ihr könnt es haben. Gratis.«
    »Danke, sehr freundlich«, meinte Robert. »Aber ich glaube nicht, dass wir es haben wollen. Außerdem haben wir die Sachen bereits bezahlt. Das hätten wir ja nicht gebraucht, wenn wir das ganze Geschäft bekommen hätten.«
    Der Mann nickte. »Das ist natürlich wahr. Aber wenn ich nur das Geschäft loswerde, dann kann ich zu meiner Zukunft zurückfahren.«
    »Dorthin will ich auch«, meinte Kari.
    »Viel Glück«, wünschte der Mann.
     
    Sie gingen ans Wasser und fanden einen Felsen, auf den sie sich setzen konnten. Robert brach das Brötchen in zwei Teile. »Ich habe Angst«, sagte Kari. »Das ist, als würde man eine Tür aufmachen. Ich weiß nicht, was sich hinter ihr verbirgt.«
    Robert schaute über das Wasser. »Was ist damals geschehen? Als du klein warst?«
    »Ich weiß nicht viel. Ich lag in einem Korb vor ihrer Tür. Ein richtiges Findelkind, wie im Märchen. Sie hatten keine eigenen Kinder und haben mich adoptiert. Mama hat mir das so erklärt, als ich zwölf war. Das war krass.«
    »Und über deine richtigen Eltern weißt du überhaupt nichts?«
    »Nein, nichts. Mama wollte nicht darüber reden. Sie hat nur erzählt, wie ich zu ihnen kam und dass sie sonst nichts wüsste. Ich fragte ihr immer wieder Löcher in den Bauch, aber sie wurde dann wütend oder ging einfach weg. Meinen Stiefvater konnte ich nicht fragen, der war schon tot.«
    »Warum hast du Angst?«
    »Ich weiß nicht. Hast du keine Angst?«
    »Nur wenn die Bullen kommen, und ich eine Spraydose mit Farbe in der Hand habe. Dann nehme ich die Beine in die Hand. Einmal hatte ich auch eine Riesenangst, als ein Trupp Skinheads plötzlich der Überzeugung war, ich hätte von einem von ihnen die Jacke ruiniert. Sie schikanierten uns, und einer dieser Superidioten hatte plötzlich Farbe auf seiner

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