Der Sonntagsmann
entzieht, ist noch schlimmer. Teilweise zu Recht, muss ich sagen. Der Palme-Mord oder ein Einbruch, manchmal wird alles gleich ernst genommen.«
Sie schwieg und fragte sich, worauf er mit seinen Ausführungen hinauswollte.
»Kurz gesagt, wir brauchen Leute wie dich. Engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch mit komplizierten Aufgaben fertig werden und nicht so schnell aufgeben.«
Er lehnte sich zurück. »Und die auch bei den Medien ankommen, nicht zu vergessen.« Er lächelte. Offenbar war er mit sich zufrieden. »Nun gut«, fuhr er mit ernsterer Miene fort. »Gestern rief ein Angehöriger eines Mordopfers bei mir an. Alter Fall. Ich glaube, es war der Bruder. Er sagte, in einem Monat würde der Mörder straffrei ausgehen, aber dass du einen neuen Versuch unternehmen wolltest.«
»In drei Wochen«, berichtigte ihn Elina. »Die Schwester heißt Ylva Malmberg. Sie wurde vor fast fünfundzwanzig Jahren erdrosselt aufgefunden. Du hast Recht, ich habe mir den Fall angesehen, aber es ist nicht einer von unseren eigenen Fällen in Västerås, und mein Chef will nur ungern Leute für einen anderen Fall abstellen. Leider kann ich nichts machen.«
»Genau so ist es«, sagte Klinga. »Ein Eingreifen unsererseits könnte die Situation vielleicht verändern. Aber es ist natürlich immer heikel, wenn sich das Zentrum in Angelegenheiten der Peripherie einmischt. Das sind dann immer die aus der Großstadt, und das ist nicht unbedingt beliebt, da draußen auf … tja …«
Auf dem Acker?, dachte Elina. »Ich würde mich gern um diesen Fall kümmern«, sagte sie, ohne zu lächeln. »Obwohl nur noch ein paar Wochen Zeit bleiben. Aber ich glaube, es gibt eine Möglichkeit, ihn zu lösen.«
Im selben Augenblick bereute sie bereits ihre Wortwahl. Man würde sie für eine wirklichkeitsfremde Irre halten, wenn ihr die Sache misslang. Warum konnte sie nicht auf irgendein übergeordnetes Prinzip verweisen, auf Pflichtbewusstsein oder Verantwortungsgefühl, eben auf die Dinge, über die Chefs und Politiker immer schwafelten? Aber Klinga schien gar nicht so genau hinzuhören.
»Na dann«, meinte er. »Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
»Und wieso interessiert sich der Stab des Reichspolizeichefs dafür, wenn ich fragen darf?«
»Wie ich schon sagte. Die Polizei gibt sich nie geschlagen.«
Gute PR also, dachte Elina. Kriminalinspektorin Wiik, die beharrliche Polizeibeamtin aus der Provinz, standhaft im Kampf für Recht und Ordnung. Von mir aus gerne, solange man mich an diesem Mordfall arbeiten lässt.
Das Mittagessen verging mit Anekdoten aus dem Polizeialltag. Elina fand es erstaunlich, dass Klinga sich mit keiner einzigen Frage nach dem eigentlichen Fall erkundigte.
Kurz vor drei war Elina wieder im Polizeipräsidium von Västerås. Fast sofort klingelte ihr Telefon. Ihr Display verriet, dass Jönsson am Apparat war. Er wollte sie sehen. Seine Stimme klang unfreundlich.
Sie klemmte sich die Akte über das Betrugsdelikt unter den Arm und ging zu Jönssons Büro.
»Gut, dass du bei mir angerufen hast«, sagte sie, ehe er noch den Mund öffnen konnte. »Ich wollte dich nämlich nach ein paar Sachen in diesem Fall fragen.« Sie fuchtelte mit den Papieren und lächelte verbindlich.
»Ein andermal«, sagte Jönsson. »Ich hatte gerade einen Anruf von einem Abteilungsleiter Klinga aus Stockholm. Weißt du möglicherweise, worum es dabei gehen könnte?«
Elina hätte am liebsten nicht geantwortet und strengte sich an, möglichst treuherzig auszusehen. Jönsson hob den Zeigefinger und sah aus, als könnte er jeden Moment explodieren, sagte aber keinen Ton. Erst als er die Hand wieder hatte sinken lassen, öffnete er den Mund.
»Besagter Abteilungsleiter hält es für eine gute Idee, wenn du und niemand anders sich um einen Fall kümmern könnte, der bald verjährt. Er sagt, du hättest eine gewisse Kreativität im Zusammenhang mit Mordermittlungen bewiesen, und dass du deswegen vielleicht die richtige Person dafür seist. Er sagt weiter, der Reichspolizeichef würde es gerne sehen, dass wir alten Mordsachen erneut nachgingen, da dies zeigen würde, dass die Polizei bei der Jagd auf Schwerverbrecher nie aufgibt. Kurz gesagt glaubt er, damit kurzfristig in Stockholm punkten zu können, und das ist wichtiger, als dass wir mit unserer Arbeit nachkommen.«
»Um welchen Fall geht es denn?«, fragte Elina.
»Tu nicht so, Wiik. Du weißt genau, worum es geht. Eine deiner normalen Intrigen. Jetzt muss ich dir also
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