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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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Es standen keine Blumen mehr im Fenster. Auch auf der Rückseite, auf dem Balkon, nicht mehr. Die Wohnung schien leerzustehen. Elina runzelte die Stirn. Das war ihr unbegreiflich. Langsam ging sie zu ihrem Auto zurück und fuhr Richtung Tillberga.
    Staffan Wallén wohnte am Rand des kleinen Ortes, der einst um einen Bahnhof herum entstanden war. Sein Haus lag in der Pistonggatan. Die Straße war nach der Kolbenstange benannt. Sehr passend, dachte Elina. Als Wallén die Tür öffnete, erweckte er kaum den Eindruck eines Star Lovers. Er war 54 Jahre alt und hatte offenbar seit Ylvas positiver Beurteilung jährlich ein Kilo zugenommen. Er nahm ihr die Jacke ab und hängte sie auf. Dann bedeutete er ihr, ihm ins Innere des Hauses zu folgen. Elina musste zugeben, dass er seinen Bewegungen nach zu urteilen früher einmal vielleicht wirklich mehr zu bieten gehabt hatte.
    »Die Jungs sind gerade beim Fußball«, sagte er. »Sie sind fünfzehn und siebzehn. Ich fand es nicht so passend, in ihrem Beisein über einen Mord zu sprechen.«
    Keine Jacken oder Mäntel an der Garderobe und keine Schuhe im Flur ließen darauf schließen, dass eine Frau im Haus wohnte. Es war recht unordentlich. Vielleicht ist das so, wenn man mit zwei Teenagern allein wohnt, dachte Elina.
    Staffan Wallén stellte zwei Tassen auf den Tisch und goss Kaffee ein, ohne zu fragen, ob sie welchen haben wollte.
    »Ich muss schon sagen, dass ich sehr überrascht war«, meinte er, »schließlich hat sich diese schreckliche Sache nicht erst gestern ereignet.«
    »Ich will Ihnen nur ein paar Fragen über Ylva stellen«, erklärte Elina, »und über Ihr Verhältnis zu ihr.«
    »Ich stehe doch wohl nicht unter Verdacht?«, fragte er und lachte um zu zeigen, wie abwegig dieser Gedanke war.
    »Ganz und gar nicht«, sagte Elina. »Aber ich will aus einem bestimmten Grund mit Ihnen sprechen. Sie haben mehrfach mit ihr geschlafen. Das geht aus den Akten und aus ihrem Kalender hervor.«
    Staffan Wallén saß jetzt vollkommen reglos auf der Couch.
    »Ja?«, sagte er nur.
    »Was hatten Sie für eine Beziehung zu ihr, einmal abgesehen von der sexuellen?«
    »Das steht doch vermutlich auch in den Akten?«
    »Die Beschreibung dort ist sehr kurz. Erzählen Sie mir einfach davon.«
    Nachdem er lange ausgeatmet hatte, erwiderte er: »Ich weiß nicht, wie das heutzutage ist, mit Aids und so. Aber als ich jung war, schlief man mit so vielen Mädchen wie möglich. Ich tat das jedenfalls. Sie war eine. Und mehr war auch nicht.«
    »Was bedeutete sie für Sie?«
    »Eine Nummer. Entschuldigen Sie, dass ich so direkt bin. Aber so war es. Die meisten meiner Freunde waren auch so. Richtige Schweine waren wir, aber das war uns damals vermutlich nicht bewusst. Erst wenn man sich in jemanden verliebt hatte, wurde es anders. Erst dann sah man irgendwie auch den Menschen.«
    Er blickte sich um, als würde die, in die er sich verliebt hatte, plötzlich wieder auftauchen. Elina bemerkte die Trauer in seinen Augen.
    »Genügte ihr das? Eine Nummer zu sein?«
    Elinas Stimme klang scharf. Im selben Augenblick verfluchte sie bereits ihren Mangel an Professionalität. Sie wollte schließlich, dass er ihr antwortete. Aufrichtig, ohne drumherum zu reden. Er hatte die Schärfe in ihrer Stimme bemerkt, entschuldigte sich aber nicht.
    »Das war nicht unbedingt das Erste, was man sagte, wenn man eine Frau anbaggerte. Man machte ihr Komplimente, versuchte, originell zu sein. Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie das bei ihr war und was ich gesagt habe. Aber sie ließ sich relativ leicht flachlegen.«
    »Wie verhielt sie sich?«
    »Wie meinen Sie?«
    »Wie verhielt sie sich Ihnen gegenüber?«
    Er schwieg, lehnte den Kopf zurück und schien nachzudenken.
    »Das war doch eine Art Spiel, nicht wahr? Ich versuchte immer, die richtigen Sachen zu sagen, um sie für mich zu interessieren. Aber dann hing es davon ab, dass man auch zuhören konnte. Ich glaube, sie gehörte zu denen, die wollten, dass man zuhört. Das wollen an sich natürlich alle, aber sie war irgendwie dankbar dafür, dass man sie ernstnahm.«
    »Aber aus Ihrer Sicht handelte es sich doch um eine Art Betrug, nicht wahr? Wenn man bedenkt, was Sie gerade über die Frauen gesagt haben. Sie brachten sie dazu zu glauben, dass Sie sie als Mensch wahrnahmen, aber eigentlich war sie nur eine Nummer?«
    »Wie will man das wissen? Vielleicht war sie mit den Spielregeln einverstanden? Sie wollte vielleicht dasselbe wie ich. Sind denn Frauen und Männer so

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