Der Sonntagsmann
rauchte. Bis letzten Sommer. Da bin ich nach Vietnam gefahren. Ich glaubte, dass danach alles anders werden würde. Besser, wenn ich mich endlich zusammenreißen und etwas unternehmen würde. Aber dann passierten solche Sachen wie … und ich weiß immer noch nicht, was ich will.«
»Vielleicht ist es gar nicht so lustig, in die Welt zu reisen, wenn es keinen Platz zum Zurückkommen gibt?«, schlug Robert vor. »Dann wird man so etwas wie ein Flüchtling.«
»Ich war auch eine Weile in der Klapse, nur ein paar Monate, und das ist auch schon ein paar Jahre her. Seitdem nehme ich Antidepressiva.« Sie wandte sich ihm zu. »Ich habe die Tabletten zu Hause vergessen.«
»Du musst neue kaufen, falls du welche brauchst«, meinte Robert. »Sind die teuer?«
»Nicht, wenn man sie wie ich dauernd nimmt. Es gibt eine Obergrenze für das, was man selbst zahlen muss. Wie viel Geld haben wir eigentlich? Wird die Reparatur teuer?«
Robert kramte in seiner Tasche und fischte ein paar zusammengefaltete Hundertkronenscheine heraus. »Ich habe nicht so viel«, meinte er. »Wir sollten vielleicht mit einem Schlauch Benzin aus anderen Autos klauen, statt zu tanken. Dieses Kabel kostet vermutlich nicht so viel. Ich kann es auch selbst einbauen.«
»Ich habe ein paar Tausend auf meinem Konto«, meinte Kari. »Schau mal!«
Er drehte seinen Kopf ganz nach hinten. In einer Staubwolke tauchte ein Auto auf. Robert sprang aus dem Wagen, stellte sich mitten auf die Straße und fuchtelte mit den Armen. Der Wagen blieb stehen, und der Fahrer kurbelte das Seitenfenster herunter. Robert ging auf ihn zu. »Haben Sie ein Starthilfekabel? Ich kriege ihn nicht mehr an.«
»Leider nicht«, erwiderte der Mann, der eine Baseballmütze verkehrtherum aufhatte. »Aber ich habe ein Abschleppseil. Ich kann euch anschleppen. Zur Werkstatt ist es nicht weit.«
»Wie weit ist es denn?«, wollte Robert wissen.
»Zu Martinssons? Um die siebzig Kilometer. Ich fahre ein Stück vor.«
Er fuhr um den liegengebliebenen Wagen herum, und gemeinsam befestigten sie das Abschleppseil.
»Versuch das Seil gespannt zu halten«, sagte der Mann. »Leg den zweiten Gang ein und drück auf die Hupe, wenn der Motor läuft.«
Der Motor sprang auf Anhieb an, und sie machten das Abschleppseil wieder los. Dann ging es einige Dutzend Kilometer geradeaus. Vor einer Abzweigung bremste der Mann vor ihnen. Er streckte den Arm aus dem Seitenfenster und deutete. Robert bog ab, und der Mann hob die Hand zum Gruß, ehe er weiterfuhr.
Kari schien es, als führen sie weiter ins Fjäll hinein. Die Bäume wurden niedriger und knorriger. Sie kamen an vereinzelten Häusern vorbei, sahen dann eine halbe Stunde lang kein einziges mehr. Schließlich gelangten sie zu einem Gehöft und fuhren auf den Hof. Ein Mann mit Schnurrbart, Koteletten und einem Ring im Ohrläppchen trat aus einer Garage. Über der Einfahrt hing ein Schild: »Martinssons Autos & Reparaturen.« Davor standen mehrere Schneeskooter und ein Lastwagen.
»Ich kann das wieder anlöten«, sagte er, nachdem er einen Blick unter die Motorhaube geworfen hatte. »Oder ihr müsst warten, bis ich neue Sachen geholt habe. Ich fahre heute Nachmittag in den Ort.«
Kari sah sich um. Sie fragte sich, wo dieser Ort lag.
»Anlöten«, sagte Robert.
»In der Küche gibt es Kaffee«, sagte der Mann mit den Koteletten, ohne sich umzudrehen. Er steuerte schon wieder auf die Garage zu.
»Komm«, sagte Robert zu Kari und ging auf das Haus zu.
In der Küche saß ein alter Mann. Robert ging auf ihn zu und hielt ihm die Hand hin. »Guten Tag«, sagte er. Der Alte regte sich nicht.
Kari war in der Diele stehengeblieben. Sie wusste nicht, was sie tun sollte und wagte kaum einzutreten. Robert ging zum Herd, auf dem eine Kaffeekanne stand. »Dürfen wir uns eine Tasse eingießen?«, fragte er an den alten Mann gewandt. Obwohl er keine Antwort erhielt, nahm er zwei Tassen vom Abtropfständer auf der Spüle und schenkte ein.
»Sollen wir wirklich?«, fragte Kari.
»Der da draußen meinte, wir dürfen«, erwiderte Robert.
»Ich bin hungrig. Komm jetzt.«
Kari nahm zögernd und mit etwas Abstand von dem alten Mann Platz. Robert öffnete die Tür zur Speisekammer und fand dort einen Korb mit Knäckebrot. Im Kühlschrank stand Butter. Er bestrich zwei große runde Knäckebrote und reichte Kari das eine.
»Ich bin blind«, sagte der Alte plötzlich, »aber ich habe viel gesehen.«
»Was haben Sie gesehen?«, fragte Robert.
»Ich habe den Flug
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