Der Sonntagsmann
ging auf die schwedische Botschaft und lieh sich Geld für ein Flugticket. Wir fuhren direkt nach Hause.«
»Und was ist aus dem Mann geworden, dem das Auto gehörte?«
»Wir trennten uns in Patna. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
26. KAPITEL
Elina wusste nicht, mit welchen Lehrern sie sich unterhalten sollte. Ylva Malmberg hatte im ersten Unterrichtsjahr an der Tärna Folkhögskola vier verschiedene Lehrer gehabt und im Jahr darauf drei neue. Keiner von ihnen hatte in den ursprünglichen Verhören etwas von besonderem Interesse zu sagen gehabt. Außerdem hatte sie einige von ihnen noch gar nicht ausfindig gemacht.
Sie rief zuerst Roger Malmberg an. Ob er von dem tödlichen Unfall in Indien gehört hatte? Er klang erschüttert, als sie ihm davon erzählte, und erklärte, von dem Vorfall keine Ahnung zu haben. Dann rief Elina die Mitschülerin Mikaela Andersson an. Auch sie hatte nie etwas von dem Unfall gehört. Mikaela äußerte die Vermutung, dass er zu Ylvas Entschluss beigetragen haben könnte, sich an der Tärna Folkhögskola mit Dritte-Welt-Fragen zu befassen, um so eventuelle Schuldgefühle zu verarbeiten.
Nach diesen beiden Gesprächen kam bei Elina ein leiser Zweifel auf. War Peter Fäldts Geschichte überhaupt wahr? Hatte sich dieser Unfall überhaupt ereignet? Vielleicht hatte er ihn erfunden oder verschiedene Ereignisse in seinem Haschischnebel durcheinandergebracht. Der Bericht an sich war jedoch klar und detailliert gewesen. Immerhin gab es einen Zeugen, der es sicher wissen musste: den anderen Reisegefährten Kaj Nilsson. Aber Elina hatte ihn noch nicht erreicht. Niemand war bei seiner c/o-Adresse ans Telefon gegangen.
Eine knappe Stunde später hatte sie die Adressen sämtlicher sieben Lehrerinnen und Lehrer eruiert sowie die Telefonnummern von fünf. Sie entschloss sich alle anzurufen, um sich dann vielleicht mit der- oder demjenigen zu treffen, die oder der am meisten zu wissen schien. Es war Dienstag, zehn Uhr vormittags, und sie probierte es erst mit den Handynummern. Niemand nahm ab. Vielleicht riskieren sie, dass man die Handys beschlagnahmt, wenn sie während der Unterrichtszeit klingeln, dachte Elina. Oder galt das nur für die Schüler? Sie hinterließ Nachtrichten bei den dreien, die eine Mailbox hatten. Dann versuchte sie es unter ihren Privatnummern.
Die erste, die sie erwischte, hieß Maja Beijer. Sie hatte Kunsthandwerk unterrichtet und wohnte mittlerweile auf Gotland.
»Ich habe mich darauf konzentriert, mein eigenes Talent weiterzuentwickeln statt das anderer«, erzählte sie. »Ich besitze hier eine Töpferei.«
Leiser Neid beschlich Elina. Eine Töpferei auf Gotland, das klang angenehmer, als Übeltäter und widerspenstige Zeugen zu vernehmen.
Maja Beijer behauptete, keine Ahnung zu haben, wer der Vater von Ylvas Kind war oder warum sie die Vaterschaft geheim gehalten hatte.
»Aber ehrlich gesagt«, meinte sie, »würde ich mich nicht an Ylva Malmberg erinnern, wenn sie nicht ermordet worden wäre. Klar, dass wir alle vollkommen entsetzt waren, als wir davon erfuhren. Aber … sonst hat sie sich nie sonderlich hervorgetan.«
Zwischen Lehrerschaft und Schülern hatte ein kameradschaftliches Verhältnis geherrscht. Falls ein männliches Mitglied des Lehrkörpers die Situation ausgenützt hatte, um sich »sexuelle Vorteile« zu verschaffen, sei es ihr jedenfalls nicht aufgefallen. Elina fand diese Formulierung sonderbar, Nachfragen erübrigten sich jedoch.
Die andere Lehrkraft, die sie erreichte, hieß Ulf Nyman. Er hatte das Fach Entwicklungsländer unterrichtet, Ylvas Hauptfach.
»Sie haben Glück, dass Sie mich erwischen«, sagte er. »Ich bin auf dem Sprung. Womit kann ich Ihnen helfen?«
»Es geht um eine ehemalige Schülerin von Ihnen. Ylva Malmberg.«
Am anderen Ende wurde es still. »Sie wurde vor fünfundzwanzig Jahren ermordet.«
»Ja, stimmt«, erwiderte Ulf Nyman. »Daran erinnere ich mich natürlich. Wirklich eine tragische Geschichte. Hat sich in dem Fall etwas Neues ergeben?«
»Wir haben die Ermittlung wieder eröffnet. Ich leite sie. Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
»Kein Problem. Geht das telefonisch?«
»Was hatten Sie für ein Verhältnis zu ihr?«
»Verhältnis? Wie zu allen anderen Schülern auch. Ein entspanntes, wie es der Atmosphäre an der Schule entsprach. Aber ich kannte sie nicht sonderlich gut. Sie war recht zurückhaltend.«
»Wissen Sie, wer der Vater ihres Kindes gewesen sein könnte?«
»Diese Frage hat
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