Der Sonntagsmann
seinen kleinen Augen.
»An den Namen kann ich mich nicht erinnern.«
»Niemand scheint etwas zu wissen.«
»Ich auch nicht. Und meine Devise war auch immer, nie in der Vergangenheit herumzuwühlen.«
Er packte die Riemen und begann, wieder auf das Ufer zuzurudern. Als sie den Steg erreichten und Kari an Land klettern wollte, verlor sie das Gleichgewicht und wäre fast ins Wasser gefallen. Johannes fing sie auf. »Hier ist es tief«, sagte er.
Kari kletterte auf den Steg. Ihr war übel, aber sie war sich nicht sicher, ob das von der unruhigen See kam. Als sie das Auto erreichten, übergab sie sich. Robert wischte ihr mit seiner Hand den Mund ab und half ihr einzusteigen.
35. KAPITEL
Elinas Anruf bei ihren Eltern war eher eine Mitteilung als eine Frage. Sie war stets willkommen, und irgendwelche organisatorischen Probleme gab es nicht: Im Reihenhaus der Eltern in Märsta sah Elinas Mädchenzimmer im Großen und Ganzen aus wie damals, als sie von zu Hause ausgezogen war. Das war jetzt siebzehn Jahre her. Botwid Wiik und Elinas Mutter Maria bezeichneten das Zimmer als Gästezimmer, aber außer Elina übernachtete kaum jemand darin.
Sie teilte mit, dass sie im Laufe des Nachmittags eintreffen, dann aber noch einmal beruflich ein paar Stunden unterwegs sein würde. Maria Wiik wollte nur wissen, wann das Abendessen fertig sein sollte.
Den Vormittag verbrachte Elina damit, in allen erdenklichen Datenbanken alles über Ulf Nyman herauszusuchen. Das ergab zu Elinas Enttäuschung jedoch nichts. Mit Ausnahme des Urteils wegen Belästigung schien sich Ulf Nyman vorbildlich verhalten zu haben.
Botwid Wiik umarmte sie mit der Herzlichkeit eines Vaters seiner Tochter gegenüber. Sie setzten sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Elinas Mutter war gerade beim Einkaufen. Ihr Vater erzählte, er sei erst am Tag zuvor von einer fünftägigen Reise zurückgekehrt. Elina wunderte sich, dass er ihr erst jetzt von dieser Reise erzählte. Sie fühlte sich sogar etwas gekränkt, zeigte es aber nicht.
»Du musst das verstehen, meine Kleine«, meinte er, »ich wollte allein fahren. Nicht einmal Mama durfte mitkommen. Deswegen habe ich auch vorher nichts gesagt.«
»Wo bist du denn gewesen?«
»Zu Hause.«
Elina zog fragend die Brauen hoch.
»Bei der Beerdigung meines Cousins Janne. Die Kinder wollten, dass ich komme. Aber bevor ich fuhr, wurde mir klar, dass es vermutlich das letzte Mal sein würde.«
»Warst du in Karleby?«
»Ja, auf dem Dorf, das liegt ja bei Karleby. Dort war ich. Ich wollte den Hof der Familie noch einmal sehen und die Schule, auf die ich gegangen bin auch. Ich wollte zwischen meinen Erinnerungen herumspazieren.«
Botwid Wiik war zehn Jahre alt gewesen, als er als Pflegekind während des Krieges aus dem schwedischsprachigen Teil Österbottens nach Schweden gekommen war. Dort war er dann auch nach dem Krieg geblieben. Seine Eltern waren so arm gewesen, dass sie eingewilligt hatten, ihn bei seinen Pflegeeltern in Luleå zu lassen. Die Pflegeeltern waren kurz nach Elinas Geburt gestorben, sie war ihnen nie begegnet. Sie hatte auch ihre richtigen Großeltern nie kennen gelernt. Ihr Vater sprach nie von ihnen. Jetzt waren sie schon lange tot. Elina ahnte, dass dies alles für ihren Vater sehr schmerzhaft gewesen war, so bitter, dass er sich nicht daran erinnern wollte. Zum ersten Mal erwähnte er nun einen Cousin und ihre Cousins und Cousinen zweiten Grades jenseits der Ostsee.
»Wie war es?«, fragte sie.
»Ich fühlte mich mehr zu Hause, als ich geahnt hatte. Als ich in der Kirche war, hatte ich das Gefühl, dass auch ich dort begraben werden möchte. Aber Maria wurde traurig, als ich davon erzählte, ich entschloss mich also, mir das wieder aus dem Kopf zu schlagen. Aber man besitzt doch tiefe Wurzeln, es ist schwer, entwurzelt zu werden und nicht den eigenen Boden unter den Füßen zu spüren.«
Kurz nach vier Uhr fuhr Elina los. Sie hatte versprochen, nur ein paar Stunden fortzubleiben. Sie vermutete, dass Ulf Nyman normale Arbeitszeiten hatte, und wollte ihn vor seinem Haus in Täby erwarten. Ulf Nyman wohnte in einem Ortsteil namens Ensta. Das Viertel war grün und ruhig, mit Einfamilienhäusern und kleinen, verzweigten Sträßchen. Erst fuhr sie langsam an seinem Haus vorbei, es war aus rotem Backstein, einstöckig und lag an einem Hang. Sie parkte in einer Querstraße, die einen Ausblick auf das Haus bot und hoffte, dass kein Nachbar sich nach ihren Absichten erkundigen würde. Ein an einem Zaun
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