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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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schwieg wieder einen Augenblick.
    »Oder genauer gesagt«, meinte sie dann, »ein Mensch, der meistens seinen Willen durchsetzte und sich nicht damit abfinden wollte, wenn es ihm einmal nicht gelang.«
    Ein Mann, der auf Seitensprünge aus war, dachte Elina, als sie aufgelegt hatte. Und der aufdringlich wurde, wenn er mal abblitzte. Nicht sonderlich ungewöhnlich, auch wenn das nur selten zu einer Anzeige wegen Belästigung führte. Aber er hatte keine Gewalt angewendet und nach einer Geldstrafe aufgegeben. Also kein Psychopath, nur ein kleiner Schritt über die Grenze der Anständigkeit hinaus. Kaum ein Mörder.
    Sie öffnete ihre E-Mail. Drei neue Antworten aus verschiedenen Polizeibezirken. Sie sah sie vor sich, ihre Kollegen, die fieberhaft die Fragen einer Kriminalinspektorin Wiik im fernen Västerås zu beantworten suchten. Das Ergebnis war jedoch bescheiden: Die grobe Fahrlässigkeit eines ehemaligen Mitschülers am Steuer. Das war alles.
    Sie ging das Urteil nochmals durch. Ulf Nyman. Der Anfangsbuchstabe N, auch wenn er im Nach- und nicht im Vornamen vorkam, Lehrer im Fach Entwicklungsländer und für Immigranten Quelle verbesserter Sprachkenntnisse. Wenn kein Wunder geschieht, bist du wahrscheinlich das einzige, was ich in der Hand habe. Also kann ich gleich loslegen.
    Sie rief bei der staatlichen Versicherungsgesellschaft an und erkundigte sich, wo er arbeitete. Die Sachbearbeiterin bat darum, zurückrufen zu dürfen, ehe sie die Informationen preisgab.
    »Er arbeitet bei der Entwicklungshilfebehörde Sida in Stockholm«, sagte sie. Elina dankte und rief sofort dort an. Sie bat darum, mit der Personalabteilung verbunden zu werden. Eine Viertelstunde später hatte sie Ulf Nymans Lebenslauf, mit dem er sich um die Stelle im Afrikaresort beworben hatte, vor sich liegen. Der Lebenslauf stammte vom 3. März 1989.
    Elina war der schwedischen Bürokratie unendlich dankbar, weil sie ihr tagelange Nachforschungen erspart hatte. Auf dem Papier vor ihr waren sämtliche Arbeitsplätze Ulf Nymans verzeichnet. In einem Land, in dem der Mensch über seine Arbeit definiert wird, bedeutete dies eine Biografie, wenn auch gerafft.
    Ulf Nyman war in Västervik in Småland zur Welt gekommen, hatte dort 1963 Abitur gemacht. Nach dem Wehrdienst und einem Magister an der Uni Lund hatte er ein Jahr lang in einem Kibbuz in Israel gearbeitet. Dann hatte er sechs Monate lang ohne Lohn bei einem Entwicklungshilfeprojekt in Tansania mitgearbeitet. Im Jahr 1971 hatte er Anita geheiratet.
    Elina überprüfte das Melderegister: Ulf Nyman war immer noch mit Anita verheiratet. Sie war zwei Jahre älter als er. Anita hatte eine Tochter, die 1970 zur Welt gekommen war. Nach einigen Telefonaten wusste sie: Ulf Nyman war nicht der Vater. Er hatte das Mädchen auch nicht adoptiert.
    Nach den Monaten in Tansania hatte Ulf Nyman vertretungsweise an verschiedenen Schulen gearbeitet. Anschließend war er bei einem einjährigen Entwicklungshilfeprojekt in Äthiopien tätig gewesen. Sieben Jahre lang wurden wechselweise Entwicklungshilfeprojekte in verschiedenen afrikanischen Ländern von Lehrerstellen in Schweden abgelöst. Der Lebenslauf listete mit bürokratischer Genauigkeit Dauer und Ort jeder Anstellung auf. Im Frühjahr 1977 war er dem afrikanischen Kontinent untreu geworden. »Frischwasser«, ein Brunnenbohrprojekt in Bangladesch.
    Bangladesch. Elina griff zu Ylvas Tagebuch. Im März 1977 war sie in Indien gewesen. Der tödliche Unfall hatte sich auf der Straße zwischen Varanasi und Patna ereignet. Der Mann mit dem Auto war unbekannt. Im Tagebuch wurde er nicht namentlich erwähnt, und Peter Fäldt wusste ihn nicht. Sie suchte im Internet nach einer Landkarte. Das Land lag genau in Fahrtrichtung: Varanasi, Patna, Kalkutta und dann Bangladesch.
    Zum Herbstsemester 1977 hatte er die Stellung im Fach Entwicklungsländer an der Tärna Folkhögskola bekommen.
    Die Stieftochter ist Jahrgang 70, dachte Elina. Sie wurde also gerade eingeschult. Vielleicht ein Grund, sesshaft zu werden, das Nomadenleben aufzugeben.
    Aber Ulf Nyman hatte die Tärna Folkhögskola schon nach dem Frühjahrssemester 1980 wieder verlassen.
    Einen Monat nachdem Ylva tot im Fjäll aufgefunden worden war. Elina legte die Papiere beiseite. Er nimmt die Familie mit und lässt alles hinter sich, was er sich vermutlich in den drei Jahren aufgebaut hat. Die Tochter muss Freunde und Schule verlassen. Sie hat vermutlich gerade die dritte Klasse abgeschlossen.
    Sie waren nach

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