Der Spiegel aus Bilbao
wie Sarah selbst
aus schmerzlicher Erfahrung wußte.
Sie war weniger durch das
beunruhigt, was Pete tat, als durch das, was er nicht tat, dachte sie
ärgerlich, als sie in den Garten hinter dem Haus blickte, wo das Gras immer
noch kniehoch im Wind wogte und die Zecken sich zweifellos fleißig vermehrten.
Außerdem gefielen ihr Petes Manieren nicht. Sie erwartete nicht, daß
Hausangestellte vor ihr Kniefälle machten, aber sie mochte es auch nicht, wenn
sie sie anzüglich angrinsten.
Und da sie gerade beim Thema
war, sie konnte es auch nicht ausstehen, sich von alten Bekannten tyrannisieren
zu lassen. Was hatte sich Fren Larrington bloß dabei gedacht, einfach so
hereinzuschneien und Befehle zu erteilen, als hätte er das gottverdammte Recht
dazu, jetzt, wo Alexander nicht mehr da war? Selbst Cousin Lionel war es nicht
gelungen, sich in so kurzer Zeit derart unbeliebt zu machen, obwohl man ihm
lassen mußte, daß er es wirklich versucht hatte. Am besten hielt er ihr sein
Wolfsrudel vom Hals, oder sie würde möglicherweise am Ende selbst noch die Axt
schärfen.
Sarah setzte sich auf das Bett,
das sie gerade gemacht hatte, und dachte über die tote Frau im Dorf nach. Was
wußte sie überhaupt von Alice Beaxitt? Nicht viel, wenn sie ehrlich war, bloß
daß Alice B. es anscheinend irgendwie geschafft hatte, mit Miffy viele Jahre
lang in Harmonie zu leben, und daß sie die schärfste Zunge in der gesamten
Yachtclub-Clique besaß, was ja wohl alles sagte. Sie hatte sich nie großartig
verändert, hatte sich mit ausgefallenen Kleidungsstücken herausgeputzt, die sie
in den Geschäften in der Nähe von Bearskin Neck gefunden hatte, hatte stets
neue exotische Rezepte ausprobiert und versucht, einem mehr davon aufzudrängen,
als man eigentlich essen wollte. Außerdem war sie höchst geschickt darin
gewesen, andere mit ihrer scharfen Zunge zu verletzen, wie sie es gestern abend
auch bei Max getan hatte.
Ob Alice B. ein glücklicher
Mensch gewesen war? Sarah nahm an, daß sie wohl einigermaßen zufrieden mit
ihrem Leben gewesen sein mußte. Warum hatte sie sonst alles beim alten
gelassen? Wenn sie sich nicht mit Miffy zusammengetan hätte, wäre es ihr sicher
gelungen, eine andere Gönnerin zu finden. Einige Menschen waren geborene
Anhängsel. Vielleicht war das auch der Grund gewesen, warum Alice B. sich in
theatralische Kostüme gehüllt und immer neue Gerichte ausprobiert hatte, um
Miffys Gäste damit zu überraschen, und ständig neue Skandalgeschichten
verbreitet hatte, um sie damit zu unterhalten. Ganz gewöhnliche Kleidung,
gewöhnliches Essen und gewöhnliche menschliche Wärme hätten vielleicht nicht
verbergen können, daß Alice in Wirklichkeit gar kein eigenes Leben hatte.
Andere Menschen niederzumachen,
konnte ihre Rache dafür gewesen sein, daß diese wirklich genug waren, um Fehler
zu begehen und in Schwierigkeiten zu geraten. Vielleicht hatte sich Alice B.
immer danach gesehnt, selbst die Hauptrolle in einem großen Drama zu
übernehmen, und sich nie getraut, es zu riskieren. Man sollte sich besser nie
etwas wünschen, denn am Ende könnte sich der Wunsch erfüllen.
So würde der Boden nie sauber
werden. Sogar Pete war schließlich an seine Arbeit gegangen. Sie konnte ihn vom
Fenster aus sehen, wie er die alte Sense schwang, die Alexander immer mit einem
Wetzstein so schön scharf gehalten hatte. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen,
paßte es Pete ganz und gar nicht, daß er mit der Hand mähen mußte. Aber das war
schließlich seine eigene Schuld. Inzwischen war das Gras nämlich so hoch, daß
man es mit dem Rasenmäher nicht mehr bewältigen konnte. Sarah beschloß, von
jetzt ab alle Instruktionen an den alten Jed zu geben. Je weniger sie mit Pete
Lomax zu tun hatte, desto besser würde sie seine Anwesenheit hier ertragen.
Jetzt mußte sie noch die kleine
Wohnung im Kutscherhaus aufräumen. Wenn Max Bittersohn wirklich wußte, wie man
ein Bett machte, hatte er es gut verbergen können, seit er ihr Pensionsgast
war.
Die Sache mit Barbara war auch
noch nicht geklärt. Doch was konnte da noch großartig geklärt werden?
Vielleicht sollte sie Max statt dessen bitten, sie zum Einkaufen zu fahren.
Dann konnte sie schnell bei Miffy vorbeischauen und eine Tasche mit
Kleidungsstücken für Tante Appie abgeben, in der Hoffnung, daß sie den Wink
verstehen und länger bleiben würde. Wenn sie doch auch Cousin Lionel bei Miffy
abladen könnte.
Aber das war leider unmöglich.
Erstens haßte Miffy Kinder.
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