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Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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ihn
zu einem Wagen trug.
    Sie mußten einen Wagen gehabt
haben, dachte Sarah. Er wäre nicht besonders aufgefallen, denn Miffys Haus lag schließlich
nicht irgendwo verlassen im Wald wie ihr eigenes, sondern befand sich direkt an
einer Kreuzung unten im malerischen Teil des alten Dorfes. Autos waren nicht
gerade selten dort, besonders jetzt nicht, wo sich die Touristen allmählich
einfanden, und die Hecke wuchs hoch genug, um einen guten Sichtschutz zu
bieten.
    Angenommen, der Einbrecher, der
sich so gut auskannte, war im Haus gewesen und hatte die Beute durch das
Küchenfenster nach draußen an seinen Komplizen weitergereicht, der sie dann zu
seinem günstig geparkten Wagen trug. Angenommen, Alice B. war nach unten
gekommen und hatte mit dem Dieb gekämpft, der ja auch genausogut eine Frau
gewesen sein konnte, nicht größer als sie. Der Mann, der sich draußen befand,
hatte vielleicht gesehen, daß sich seine Komplizin in Schwierigkeiten befand,
war zum Holzstoß gelaufen und hatte die Axt geholt, war dann durch das Fenster
ins Haus gestiegen und hatte Alice B. erschlagen.
    Das würde auch erklären, warum
das Silber im Eßzimmer nicht verschwunden war. Die Diebe hatten die wertvollen
Gegenstände zuerst holen wollen, die unhandlichen erst ganz zum Schluß. Nachdem
ein Mord passiert war, hatten sie nicht mehr den Mut, irgend etwas mitzunehmen,
sondern dachten nur noch an Flucht. Vielleicht hatte Alice geschrien, und sie
konnten schließlich nicht sicher sein, ob Miffy immer noch tief genug in ihrem
Alkoholkoma lag, um nichts zu hören.
    Wäre Alice B. leichtsinnig
genug gewesen, einen Einbrecher auf eigene Faust anzugreifen, selbst wenn es
jemand war, den sie kannte? Sie hatte natürlich auch getrunken, aber sie war
sicher nicht betrunken gewesen. Vielleicht war das der kleine Fehler in einem
ansonsten hervorragend geplanten Verbrechen? Denn weil Miffy nie nüchtern zu
Bett ging, wenn es sich vermeiden ließ, ging wohl jeder davon aus, daß das bei
Alice B. genauso der Fall war.
    In Wirklichkeit aber hatte
Alice B. nur sehr geschickt vorgetäuscht, genausoviel wie der Rest der Clique
zu trinken, dabei aber heimlich ihre Drinks mit Unmengen von Eiswürfeln
verwässert, so daß sie einen klaren Kopf behielt und nichts verpaßte. Dank
Miffys großzügiger Gastfreundschaft hatten die meisten Gäste wohl gestern abend
das Haus in mehr oder weniger narkotisiertem Zustand verlassen, während Alice
B. noch relativ nüchtern gewesen sein mußte. Zu Beginn war sie mit ihren
Muschelpasteten beschäftigt gewesen. Nach der Cocktailparty waren bestimmt noch
ein paar von den Gästen zum Abendessen geblieben. Das bedeutete, daß Alice B.
in der Küche hantiert hatte, Crêpes gewendet oder zwei perfekte Omeletts
gleichzeitig zubereitet hatte, in jeder Hand eine Pfanne, während die
restlichen Anwesenden um den großen Küchentisch saßen, Wein in sich
hineinschütteten und sie anspornten.
    Alice B. selbst hatte sicher
keinen Wein getrunken. Sich vor ihrem Publikum zu produzieren, war bestimmt
berauschend genug für sie gewesen.
    Als sich die letzten Gäste
verzogen hatten, mußte sie gewiß alles ganz allein aufräumen und Miffy ins Bett
bringen, weil die Gastgeberin inzwischen völlig weggetreten war. Als Alice B.
sich endlich nach getaner Arbeit ausruhen konnte, hätte sie wohl kaum noch
einen Schlummertrunk gebraucht, um müde zu werden.
    Sehr jung konnte Alice B.
bestimmt nicht gewesen sein. Sie war sicher mindestens so alt wie Appie
Kelling, und Sarah hatte selbst vor Jahren zu Appies 60. den Kuchen für die
Geburtstagsparty gebacken; damals ging es Onkel Samuel noch so gut, daß er
herumlaufen konnte. Es war erstaunlich, wie Alice B. die ganze Arbeit so
spielend geschafft hatte, besonders wenn man bedachte, daß sie Miffy jeden
Abend ausziehen und ordentlich ins Bett verfrachten mußte.
    Heute abend würde Tante Appie
zweifellos diese Ehre zuteil. Sarah faltete das Nachthemd zusammen, das ihre
Tante auf dem Fußende des Gästebettes hatte liegenlassen, und legte es zurück
in den Koffer, den fertig auszupacken Appie sich nicht die Mühe gemacht hatte.
Das vereinfachte die Sache beträchtlich. Jetzt brauchte sie den Koffer nur zu
schließen und ihn zu Miffy zu schaffen.
    Sarah richtete sich auf und
schaute dabei aus dem Fenster, um nachzusehen, wie weit Pete mit dem Mähen war.
War das ein Hund, der sich da hinter ihm durch das hohe Gras heranpirschte?
Nein, Hunde trugen keine grünlila gestreiften Rugbyhemden. Es mußte einer

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