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Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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die Hügel und
Steine, als wäre sie selbst eins. Bradley Rovedock blieb ganz in ihrer Nähe,
wie es auch Alexander immer getan hatte. Beinahe erwartete sie schon, ihn rufen
zu hören: »Paß auf, daß dich nicht plötzlich eins von den Tieren angreift,
Sadiebelle«, aber Bradley sagte gar nichts. Nach einer Weile kam ihr der
Gedanke, daß er möglicherweise aus der Puste geraten war. Sie lief etwas
langsamer, und Lassie übernahm die Spitze, doch sie kam einige Minuten später
bereits wieder zurückgerannt.
    »Mrs. Ganlor, ich glaube, eine
Ihrer Ziegen ist in Schwierigkeiten. Sie macht einen Riesenlärm.«
    Alle eilten ihr nach, als
Lassie sie zu der Stelle führte, von wo das verzweifelte Blöken ertönte. Die
Ziege war wirklich in einer schlimmen Lage. Es handelte sich um einen jungen
Bock, der sich irgendwie mit dem Kopf und den Hörnern in einer alten Rolle Stacheldraht
verfangen hatte. Bei dem Versuch, sich zu befreien, hatte er sich verletzt.
Blut rann an seinem Körper herunter und färbte das Gras rot, auf das er
wahrscheinlich aus gewesen war, bevor er in die Falle geraten war.
    Fren sah sich das Tier kurz an,
grunzte, hob einen großen Granitblock auf, wie sie überall im Moor zu finden
waren, und zertrümmerte den Schädel des unglücklichen Tieres.
    »Das einzig Richtige«, teilte
er Mrs. Ganlor mit. »Man sollte mit dem Fell und dem Fleisch noch etwas
anfangen. Sagen Sie Charles und Willie, sie sollen herkommen und das Tier
ausweiden, wenn sie wieder da sind.«
    »Oh — ja, natürlich. Man muß
immer praktisch denken.«
    Mrs. Ganlor war zu sehr
Philosophin, um zu zeigen, wie betroffen sie nach diesem Zwischenfall war, aber
Sarah wurde es richtig schlecht. Hätten sie nicht wenigstens zurückgehen
können, um eine Drahtschere zu holen und die Ziege zu befreien, damit man sehen
konnte, ob die Verletzung wirklich so schlimm war, wie sie aussah? War es
wirklich notwendig gewesen, das Tier auf der Stelle zu töten?
    Lassie schien die Sache nichts
auszumachen, und Don stand völlig auf der Seite seines Bruders, besonders was
das Zurücklassen des toten Ziegenbocks für die Ganlor-Söhne betraf. Bradley
allerdings hatte Sarah offenbar genau beobachtet.
    »Was unsere Heimfahrt
betrifft«, sagte er, »frage ich mich gerade, ob die Wolken da oben nicht
vielleicht einen Wetterumschwung ankündigen. Wenn wir uns nicht bald auf den
Rückweg machen, könnten wir ganz schön in Schwierigkeiten geraten. Was meint
ihr?«
    »Wind und Flut tut niemand
gut«, pflichtete ihm Mrs. Ganlor bei. »Ansonsten würden wir uns natürlich sehr
freuen, wenn ihr bleiben und ein Gläschen in Ehren mit uns zusammen trinken
würdet, das euch wieder aufheitert.«
    Aber auf keinen Fall anheitert.
Sogar die Larringtons wußten, was das bedeutete. Sie verkündeten einstimmig,
daß bestimmt ein starker Wind aufkommen würde und alle Mann unverzüglich an
Deck gebraucht würden. Ohne weitere Zwischenfälle verabschiedeten sie sich,
gingen an Bord und liefen aus.
    Sobald sie die Perdita von
Little Nibble Cove weggesteuert hatten, bemerkte Fren: »Puh! Nach all dem
könnte ich jetzt gut einen Drink vertragen.«
    »Das kann ich mir vorstellen«,
antwortete Sarah nicht gerade liebenswürdig. »Die arme Ziege!«
    »Welche Ziege?« knurrte er.
»Ich meinte doch die Gedichte.«
    »Lassie«, sagte Bradley, »bist
du so lieb und flitzt schnell nach unten in die Kombüse und holst den kleineren
Korb hoch, den wir in den Steuerbordschrank gestellt haben? Darin müßte eine
Thermosflasche mit heißem Rumpunsch sein. Wenn man aus den elysischen Gefilden
herabsteigt, fröstelt es einen leicht. Wenigstens geht es mir immer so. Aber es
sind wunderbare Menschen, findet ihr nicht?«
    Alle waren einer Meinung, daß
die Ganlors wunderbare Menschen seien, die Aussicht auf einen heißen Grog
allerdings noch wunderbarer sei. Lassie hatte ein aufmerksames Publikum, als
sie die Thermosflasche auspackte und eine unangebrochene Dose mit Bremner
Wafers, ein Sortiment verschiedener Käsesorten in Scheiben, einen Satz
Plastikbecher und sogar einen kleinen Stoß Cocktailservietten hervorzauberte,
die das Heck der Perdita in Siebdruck zierte, offenbar ein Geschenk von irgend
jemandem für den Herrn, der schon alles besitzt.
    Sarah trank nur einen ganz
kleinen Schluck Rum. Sie wäre auch mit dem Kräutertee der Ganlors zufrieden
gewesen, hatte aber nichts gesagt, weil sie das Gefühl hatte, daß man sie auch
so schon für reichlich exzentrisch hielt. Mit Ausnahme von

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