Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
Lassie. Dich würde ich
immer erkennen, meine Liebe.«
    Es war undenkbar, daß Mrs.
Ganlor jemals eine Episode der Fernsehserie gesehen hatte, aber gerade noch im
Bereich des Möglichen, daß sie in frivoleren Kindheitstagen einen Blick in die
Werke von Albert Payson Terhune geworfen hatte. Lassie sah ihrer hündischen
Namensvetterin tatsächlich ähnlich, mit ihrer langen, spitzen Nase und dem
gelbbraunen Haarschopf. Ihre Mähne war zwar inzwischen an den Seiten fast weiß,
entweder durch die Sonne und den Wind oder weil Lassie, wie alle anderen
Clubmitglieder auch, mit der Zeit nicht jünger wurde.
    Alice B. hatte nur wenige
Stunden vor ihrem Tod die Bemerkung fallengelassen, daß aus kleinen Welpen
zuweilen bissige alte Hündinnen würden, und dabei ihren Blick zu Lassie auf die
andere Seite des Zimmers schweifen lassen. Sie waren bis jetzt nicht dazu
gekommen, über Alice B.s Tod zu sprechen, aber sie würden es zweifellos noch
tun. Lassie hatte auf der Fahrt nicht viel gesagt, aber sie würde auf der
Heimfahrt sicher das Blaue vom Himmel reden. Das tat sie immer. Selbst
Alexander, der sich für gewöhnlich niemals zu unhöflichen Bemerkungen verleiten
ließ, hatte während ihres letzten Törns auf der Perdita mit Lassie und Don
gesagt, er bedaure wirklich, daß Bradley schlafende Hunde geweckt habe,
erinnerte sich Sarah.
    Auch Mrs. Ganlor erinnerte sich
an Alexander. Sie nahm Sarahs Hand in ihre beiden Hände, eine Geste von
mitfühlender Vertrautheit, die sie bisher nie gezeigt hatte. Vielleicht
schimmerten sogar ein oder zwei Tränen hinter ihren tangbeschlagenen
Brillengläsern.
    »Meine kleine Sarah. Noch so
jung und hast schon einen so schweren Verlust erleben müssen. Aber wenn du
älter wirst, wird es weniger schmerzen, weißt du. So ist es immer. »Zeit, wie
ein ruheloser Strom, schwemmt ihre Söhne fort.‹ Isaac Watts. Du liebe Güte, wo
habe ich denn jetzt meine Lesebrille hingelegt? Bei Emerson gibt es nämlich
einen Abschnitt -«
    Sie wußten alle, daß es unklug
war, Mrs. Ganlor über Emerson reden zu lassen. Beide Larrington-Brüder begannen
gleichzeitig zu sprechen. Lassie stieß einen einleitenden Jauler aus, doch
Sarah war es, die zu ihrer eigenen Verwunderung die Unterhaltung bestritt. Sie
begann, Mrs. Ganlor ihre Abenteuer als Witwe zu schildern, wobei sie die
größeren Probleme ausließ und aus den weniger wichtigen einen amüsanten Bericht
machte, bestellte besonders herzliche Grüße von diversen Tanten und überbrachte
die interessante Neuigkeit, daß die beiden hartgesottenen Junggesellen Dolph
und Brooks inzwischen beide glücklich in den Hafen der Ehe eingelaufen waren.
    »Erstaunlich! ›Der Tag soll
nicht so bald aufsein wie ich, des Glückes Gunst auf morgen zu versuchen.‹
Shakespeare, König Johann , fünfter Akt, fünfte Szene. Man fragt sich
immer, ob es wirklich Shakespeare war oder nicht doch Bartlett, der die Dramen
geschrieben hat, nicht wahr? Die besten Stellen befinden sich alle in seinem Zitatenschatz, und der Rest ist furchtbar langweilig. Aber kommt doch mit und sagt Josephus
guten Tag. Wir beide sind im Moment ganz allein. Charlie und Willie sind nach
Lesser Nibble, um sich dort einen Felsen anzusehen. Sie sind deswegen völlig
aus dem Häuschen. Ich kann mich allerdings leider nicht mehr erinnern, warum er
es ihnen derart angetan hat, aber es wird mir schon wieder einfallen, früher
oder später. Sonst ist noch niemand auf der Insel, obwohl ich annehme, daß der
Clan jeden Tag hier eintrudeln wird.«
    Während sie sprach, stapfte sie
den Weg hinauf und bestand darauf, ihren Emerson selbst zu tragen, überließ
allerdings Don das Krabbennetz und Fren den Eimer. Mrs. Ganlor war bestimmt
schon mindestens 85, dachte Sarah, und ihr Ehemann Josephus vielleicht acht
oder neun Jahre älter. Sie fanden ihn schließlich beim Ausbessern einer
Steinmauer.
    »Es gibt etwas, das keine
Mauern liebt«, zitierte er zur Begrüßung, was keinen sonderlich erstaunte. »In
diesem Fall war es offenbar das richtige Väterchen Frost, nehme ich an. Nicht
verwandt mit unserem Dichter Robert, soweit ich weiß. Diese Arbeit muß
unbedingt getan werden. ›Des Winters Regen und sein Unbill sind vorbei‹.«
    »Doch nicht Swinburne, Lieber«,
protestierte seine Ehefrau mit mädchenhaftem Lachen. »Ich bin sicher, ihr
erinnert euch alle an die herrliche Passage aus Penrod, als der neue
Pfarrer von den Damen aus der Nachbarschaft bewirtet wird. ›Ein Versbuch zart
in seinen Händen haltende War

Weitere Kostenlose Bücher