Der Spiegel aus Bilbao
daß er auch in der Lage war zu
beschließen, seine Aggressionen auf gesunde und natürliche Weise auszuleben,
indem er statt dessen Vares Tante abschlachtete.
Und was war mit Alice B.s Geld?
Wenn es kein Testament gab, würden Vare und Biff Beaxitt wahrscheinlich bald zu
Geld kommen. Falls ein Testament existierte, hatte Vare wegen Alice B.s Streit
mit Pussy um den Granatschmuck bessere Karten als Biff.
Lionel selbst hatte wenig
Chancen, irgend etwas zu bekommen, aber er würde indirekt davon profitieren,
wenn Vare erbte. Dann hatte er nämlich einen rechtmäßigen Grund, ihr weniger
Unterhalt zu zahlen. Sarah schenkte im übrigen seiner Versicherung, daß er den
Zahlungen ein Ende gesetzt hatte, wenig Glauben. Dazu kannte sie Vare zu gut,
genau wie Lionel.
Sowohl Vare als auch Lionel
hätten bestimmt gewußt, welche Objekte es wert waren, gestohlen zu werden, und
nicht nur aufgrund ihrer Kunstseminare. Sie waren oft genug bei Miffy ein- und
ausgegangen, um das Haus wie ihre Westentasche zu kennen, und zwar nicht, weil
Miffy sie dahaben wollte, sondern weil sowohl Appies Sohn als auch Alice’
Nichte grundsätzlich geduldet werden mußten. Sie hatten pflichtgemäß auch den
Kunstschätzen des Hauses ihre Aufmerksamkeit zuwenden müssen, und wenn Lionel
sich etwas ansah, fand er auch heraus, wieviel es wert war.
Vare kannte sich mit aktuellen
Marktwerten ebenfalls gut aus. Sie las sämtliche Verbraucherberichte und
Warentests und tätigte ihre Lebensmitteleinkäufe mit einem winzigen
Taschenrechner in der Hand, und wehe der Kassiererin im Supermarkt, die zu
einem anderen Endbetrag kam als sie.
Aber Lionel war trotzdem immer
noch Sarahs Cousin und Tante Appies einziger Sohn, und Sarah wollte im Grunde
nicht, daß er in irgend etwas verwickelt war, für das man ihn ganz bestimmt zur
Verantwortung ziehen würde. Lionel plante zwar stets alles bis ins letzte
Detail, aber irgendwo unterlief ihm immer ein Fehler. Doch die Verdachtsmomente
sprachen aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso eher gegen Vare.
Erstens hatte sie Lionel mit
ihren gemeinsamen Söhnen sitzengelassen. Wenn er versucht hätte, sich in der
Mordnacht fortzuschleichen, hätte ihn bestimmt einer seiner prächtigen
Sprößlinge verpetzt. Außerdem konnte Vare mit Tigger zusammenarbeiten. Das
paßte genau zu Sarahs Theorie, daß es zwei Täter gegeben hatte. Wenn Tiggers
Aussehen und ihre Manieren irgendeinen Rückschluß auf ihre Neigungen zuließen,
war ein kleines Blutbad sicher genau ihr Fall.
Natürlich bestand auch immer
die Möglichkeit, daß Vare und Lionel die Tat gemeinsam begangen hatten.
Theoretisch hätten sie die ganze Trennung allein zu dem Zweck inszenieren
können, die Polizei von ihrer Fährte abzulenken. Allerdings schien das recht
weit hergeholt. Lionels Klagelied eben hatte schrecklich aufrichtig geklungen.
Aber warum sollte sie Lionel
nur deshalb verdächtigen, weil er mit dem Beil so gut Spanbäumchen anfertigen konnte?
Wie stand es mit Fren Larrington, der zu Wutausbrüchen neigte und dem es nicht
das geringste ausmachte, verletzten Tieren mit einem Stein den Kopf zu
zerschmettern? Fren saß ohne jeden Zweifel im selben Boot wie Lionel, denn er
hatte auch eine geschiedene Frau, die von ihm Unterhalt verlangte. Wer würde
nicht erwarten, großzügig abgefunden zu werden, nachdem er es all die Jahre mit
Fren ausgehalten hatte? Wie aber konnte Fren einen so gut geplanten Diebstahl,
bei dem nur bestimmte Dinge mitgenommen worden waren, ausgeheckt haben? Er
hatte keinen blassen Schimmer von Kunst. Und wenn er sich die Sache nicht
selbst ausgedacht hatte? Seine Schwägerin war Pussy Beaxitts Tennispartnerin
und hatte stets ein offenes Ohr für den neuesten Klatsch. Gar keine Frage, daß
Lassie auf den Cent genau wußte, was jedes einzelne Objekt in Miffys Haus wert
war. Pussy hätte sich einen Sport daraus gemacht, Einzelheiten herauszufinden
und sie dann weiterzugeben. Lassie hätte es dann Don erzählt, der immer gern
Geschichten jeder Art anhörte, in denen große Geldsummen vorkamen, und Don
hätte es Fren erzählt, weil er sein Zwillingsbruder war.
Wenn Fren also der Täter war,
lautete die natürliche Schlußfolgerung, daß Don sein Komplize sein mußte. Er
hatte draußen gestanden, die Beute entgegengenommen und Fren instruiert, was
dieser als nächstes stehlen sollte. Sarah konnte sich genau vorstellen, wie
mühelos sich Fren in Miffys vollgestopftem Haus zurechtfand, genau wie heute
auf dem Deck der Perdita — und wie
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