Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
auf den
ausgehöhlten Sitz, auf dem sie als kleines Mädchen so oft gesessen und sich
vorgestellt hatte, sie könne die Meerjungfrauen auf den Wellen reiten sehen.
Aber es gab keine Meerjungfrauen. Es war alles vorbei, die Träume, die
Sehnsucht, die Zukunftspläne. Und Alexander war auch nicht mehr bei ihr. Die
Liebe zu ihm war noch da, doch der Mann, dem sie galt, war weit fort, für immer
und ewig von seinem irdischen Leben befreit.
    Sarah war jetzt ebenfalls frei,
und es war sinnlos, immer noch keine Entscheidung treffen zu wollen. Sie ging
zur Treppe zurück, hielt sich am Geländer fest und stemmte sich mit aller Kraft
gegen den Wind. Sie nahm ihre Hausschlüssel heraus, ging in Max Bittersohns
Wohnung und schloß die Tür. Dann zog sie sich aus und legte sich in sein Bett.
    Wenn Max dagewesen wäre, hätte
sie vielleicht nicht soviel Mut gehabt. Oder vielleicht doch. Sarah dachte
jetzt gar nicht mehr nach, sondern folgte nur noch ihrem Gefühl. Das Bett kam
ihr wärmer vor als ihr eigenes. Wenn sie mit Max zusammen war, hatte sie immer
dieses Gefühl von Wärme. Gut zu wissen, daß es sogar andauerte, wenn er nicht
bei ihr war. Sie lächelte in die Dunkelheit und schlief ein.
    Irgend etwas weckte sie wieder
auf, und sie wußte nicht, was es war. Vielleicht war es Max, der gerade ins
Kutscherhaus kam. Aber warum hantierte er so leise im Treppenhaus herum? Max
konnte sich sehr leise bewegen, wenn er wollte, aber er neigte eher dazu, die
Treppe hochzustürmen und zwei Stufen auf einmal zu nehmen. Hatte er seine
Schlüssel auf den Boden fallen lassen?
    Angenommen, sie waren
tatsächlich hinuntergefallen, warum suchte er dann im Dunkeln nach ihnen? Er
wußte doch, daß sich direkt neben der Tür ein Lichtschalter befand, und ein
weiterer war an der Treppe. Sarah hatte das Licht nicht angeschaltet, weil sie
die Taschenlampe bei sich hatte, aber warum tat Max es nicht? Sie sah genau,
daß keine Lampe brannte, denn es schien kein Licht unter der Türritze durch.
    Vielleicht war eine Sicherung
durchgebrannt. Was würde er in einem solchen Fall tun? Max trug immer eine
kleine Taschenlampe bei sich und hatte eine starke Lampe mit Batteriebetrieb im
Auto. Außerdem sah es ihm gar nicht ähnlich, derartige lästige Zwischenfälle
schweigend zu erdulden. War er vielleicht betrunken? Vielleicht sollte sie doch
besser -
    Vielleicht lieber doch nicht.
Das da unten war nicht Max. Möglicherweise war es ein Tier, das
hereingeschlüpft war, weil sie vielleicht vergessen hatte, die Außentür zu
schließen, obwohl sie sich ziemlich sicher war, daran gedacht zu haben.
Vielleicht war es der Gauner, der den Spiegel aus Bilbao in ihre Diele gehängt
hatte, oder das Ungeheuer, das Alice B. erschlagen hatte, oder aber auch beides
in einer Person. Höchstwahrscheinlich war es einer von Lionels vorwitzigen
Satansbraten. Sarah konnte sich die allgemeinen Reaktionen sehr gut vorstellen,
wenn er sie hier nackt in Max’ Bett vorfinden würde. Sie hoffte nur, daß er das
Haus nicht in Brand steckte, aber sie konnte nicht riskieren, nach unten zu
gehen und nachzuschauen.
    Nach Rauch roch es jedenfalls
nicht. Sarah blieb also in Max’ Bett liegen, das sie inzwischen gar nicht mehr
so gemütlich fand, und wagte nicht, sich zu bewegen, bis sie hörte, wie die Tür
vorsichtig geschlossen wurde und sich draußen auf der Auffahrt Schritte
entfernten. Sie wartete noch etwa zehn Minuten für den Fall, daß der
Eindringling auf die Idee kam zurückzukehren, doch es war nichts zu hören.
Schließlich stieg sie vorsichtig aus dem Bett, suchte hinreichend viele der
verstreuten Kleidungsstücke zusammen, um einigermaßen präsentabel auszusehen,
streifte sie über, so gut es ging, und öffnete ganz langsam die Tür zum
Treppenhaus.
    Jetzt war niemand mehr da. Das
Haus schien leer zu sein, eine Vermutung, die sich als zutreffend
herausstellte. Sarah knipste jede Lampe an, die sie finden konnte, und begann
alles zu überprüfen, besonders nach Hinweisen auf versuchte Brandstiftung. Sie
steckte gerade den Kopf in eine der alten Futterkrippen, als sich die Tür
wieder öffnete.
    »Was zum Teufel ist denn hier
los?«
    Gott sei Dank, es war Max! Sie
stürmte aus der Pferdebox.
    »Ich bin es, Liebling. Ich habe
nur nachgesehen, ob auch nichts brennt.«
    »Warum sollte es hier brennen?«
    »Ich habe jemanden oder etwas
gehört. Du hast nicht zufällig jemanden vor dem Haus gesehen?«
    »Um ehrlich zu sein, ich war zu
kaputt, um irgend etwas zu sehen. Was für ein

Weitere Kostenlose Bücher